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Kunst der Erfahrung 2020

Künstlerische und psychologische Forschungen beginnen mit dem Wahrnehmen und dem Beobachten eines Phänomens. Etwas zeigt sich in der Person auf und löst dann Fragen in ihr aus. Die Psychologie, die das Verhalten und Erleben des Menschen mit wissenschaftlichen Methoden erforscht, ermöglicht, dieses Phänomen im Anschluss auf Zusammenhänge zu untersuchen. Die Künste schöpfen aus dem Phänomen ihre Gestaltungsform. Sie setzen sich mit ihm auseinander und nähern sich dem Ausdruck dessen. Um dem Phänomen des menschlichen Verhaltens und Denkens ganzheitlich zu begegnen, eröffnen wir an diesen Tagen eine Forschungswerkstatt, die einen interdisziplinären Austausch ermöglich und als Inspirationsquelle, Perspektivenwechsel und Erfahrungszuwachs dienen soll. Durch Vorträge, künstlerische Beiträge und Workshops werden wir gemeinsam Erfahrungen machen und Erkenntnisse darüber sammeln, wie sich diese Disziplinen verbinden lassen. Im Fokus liegt dabei der Dialog zischen den Teilnehmenden mit ihren Forschungsfragen und Projekten.

Der Kongress Kunst der Erfahrung 2020 vom 27. bis 29. November in Witten wurde aufgrund der derzeitigen Situation in Zusammenhang mit SARS-COV-2 abgesagt.

Wir möchten dem bereits entstandenen Netzwerk und allen Interessierten eine digitale Austauschplattform anbieten. Daher arbeiten wir gerade an einer Präsentation auf dieser Website. Ende November werden sich spannende Menschen und tolle Inhalte auf dieser Seite präsentieren. Langfristig ist es das Ziel, den Kongress im kommenden Jahr neu zu organisieren. Wir halten euch hier auf dem Laufenden.

Bei Fragen oder Anmerkungen freuen wir uns über eine E-Mail.
Das Kongress-Team von Kunst der Erfahrung

PD Dr. Christian Grüny: Phantom oder große Hoffnung? Theorien der ästhetischen Erfahrung
Kerstin Schoch: It’s about time! Für mehr Postdisziplinarität irgendwo zwischen Bildender Kunst, Kunstwissenschaften, Psychologie und Open Science
Johanna Lamprecht: Im-Klang-Sein. Skizzen Künstlerischer Forschung ausgehend von Giacinto Scelsis „Manto I“
Dr. phil. Christian Besch: Wirkung der Musik und Musiktherapie in der Praxis
Lukas Ishar und Lucas Kalmus: Ein Walkshop
Sinja Jessberger: Natur Sehen- Eine Ästhetik des Anschauens in der Natur
Hannah Kümper: Wenn der Körper spricht
Julian Sagert: Die therapeutische Haltung als Ausgangspunkt künstlerischen Schaffens
Hanna Sander und Pauline Warneboldt: Körperwahrnehmung mit dem zeichnerischen Bodyscan
Tabea Gregory
Hörraum
Philipp Trio

Isabel - Versuche, das nicht Abzubildende abzubilden

Ich ergründe meine Wahrnehmung der Welt und beobachte dabei, wie mir gewisse Momente zuweilen klarer erscheinen als andere. Vom Wesen her sind sie fließend, als würde mich das jeweilige Jetzt und die Fülle der Zeit durchströmen. Es sind Augenblicke, in denen sich meine Empfindungen in alle Richtungen ausdehnen und ich einzig im reinen Fühlen des Seins verweile.

Die Arbeit ergründet ebensolche Momente und forscht ihnen fotografisch nach – Versuche, das nicht Abzubildende abzubilden.

Marc-André Weibezahn - Klang in Bewegung

Dieses Video zeigt mich bei der Interaktion mit einem Einführungs-Stück, das auf dem bekannten "Pachelbel-Kanon" basiert

Klang ist ein sehr unmittelbares Medium. Er trifft uns direkt und von allen Seiten, ohne dass wir in eine bestimmte Richtung schauen müssen. Wenn der Ton, vor allem als Musik, in bestimmten Mustern "geformt" ist, kann er in uns einen Impuls zur Bewegung auslösen. Besonders dominant, weil möglicherweise sehr ursprünglich, ist dabei das Reagieren auf Rhythmus-Folgen, das anscheinend nicht nur ein "Reagieren", sondern auch ein körperlich ausgedrücktes Antizipieren von kommenden Impulsen ist*. Bestimmte andere Organisationen von Klang und Kompositionselemente, wie beispielsweise ein langer Streicher, können unsere Bewegungsmuster im Raum inspirieren. Man denke an das Gleiten von Takt zu Takt bei einem Walzer, oder das Headbangen bei einem Metal-Konzert.

Seit drei Jahren beschäftige ich mich mit Systemen, die mit Musik auf Körperbewegung reagieren. Ich habe bisher drei Projekte zu diesem Thema entwickelt, jedes komplexer als das vorherige.

Zwei dieser Arbeiten ("Dandency", "Eins, Zwei") konzentrierten sich auf die exklusive Erfahrung von Audio und Bewegung, in dem sie in einem dunklen Raum spielten. Die Spieler:innen konnten hier, ohne den oft dominierenden visuellen Sinn, eine virtuelle Verbindung zwischen ihrer Körperbewegung und dem Klang herstellen. In den ersten zwei Arbeiten ging es hauptsächlich darum, durch Bewegungsintensität unterschiedliche Rhythmen zu erzeugen. In meinem aktuellen Projekt, mit dem Titel "Affine Tuning" führe ich außerdem das Beeinflussen von Tonfolgen ein. Das Ergebnis ist ein Erlebnisraum, in dem die Spieler:innen sowohl rhythmisch als auch tonal agieren. Die Interaktionen basieren auf Position der Körperglieder (sowohl einzeln auch im Verhältnis), der Ausdehnung im Raum, der Rotation und anderem. Mir geht es nicht darum, ein Instrument zu schaffen, das kontrolliert werden kann. Vielmehr entwickle ich ein System, das einen Kreislauf von Interpretationen, von Fragen und Antworten ermöglicht, in dem ein flüchtiges Erlebnis mit bleibendem Eindruck stattfinden kann.

All diese Beschreibungen sind nicht wirklich befriedigend. Eigentlich sollte eines der genannten Projekte zur eigenen Erfahrung ausgestellt werden. Nun bleibt uns nur eine Erfahrung „aus zweiter Hand“, über ein Video. Es ist ein Behelfsmittel, denn mein Fokus liegt aber explizit nicht auf dieser Art von Präsentation, sondern auf der individuellen Erfahrung. Ich denke, wenn man das Werk nur von "außen" wahrnimmt, wird es fast zu einer anderen Arbeit.

"Affine Tuning" ist nicht primär für eine Installations-Situation gedacht, sondern läuft auf dem Smartphone, so dass man nicht mehr Orts- und Zeitgebunden ist und die Erfahrung in einem privaten Raum machen kann. Das ist in diesen Zeiten ein Glücksfall, denn so können trotz der aktuellen Beschränkungen hoffentlich bald viele Menschen diese Erfahrung machen.

Marc-André Weibezahn

 

* Neurowissenschaftliche Forschung weist darauf hin, dass unser Gehirn uns mit Glückshormonen belohnt, wenn wir den Fortgang von Rhythmusfolgen korrekt voraussagen: https:// pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24860439/

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