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Nachricht vom 05.12.2019
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Famulieren in Guangzhou im Süden Chinas

Antonia Viazis (links) mit chinesischen Ärzten

Antonia Viazis (links) mit chinesischen Ärzten

Famulieren in Guangzhou im Süden Chinas

Antonia Viazis hat vier Monate in einem fernen Land ein ganz anderes Gesundheitssystem erlebt und viele bekannte Probleme vorgefunden.

Studierenden der Humanmedizin an der Universität Witten/Herdecke stehen für einen Auslandsaufenthalt viele Möglichkeiten offen. Antonia Viazis studiert im 8. Semester Humanmedizin und war bereits 2014 für vier Wochen nach China gereist. Von Mitte Juni bis Mitte Oktober 2019 hat sie für vier Monate im Nanfang Hospital in Guangzhou im Süden Chinas in der Nähe von Hongkong famuliert. Mit der Universität besteht seit 2012 ein Kooperationsvertrag.

Antonia Viazis lernte die Grundwerte und die Lebensweise der Menschen abseits des touristischen Chinas kennen. Im Kern aber ging es um den Alltag in der Klinik, das Gesundheitssystem, sowie die Organisation des Medizinstudiums dort. Wie schafft es etwa das dortige Gesundheitssystem die vorhandenen Ressourcen auf ein so großes Patientenaufkommen zu verteilen? Trägt die teilweise strikte Reglementierung der Regierung zum Problem oder zur Lösungen für die dortige Gesundheitsversorgung bei?

Auch China steht vor Problemen, wie Ärztemangel in ländlichen Regionen und Kostendruck, die uns in Deutschland nicht fremd sind, dort jedoch aufgrund der Bevölkerungsdichte und der Ungleichverteilung der Bevölkerung auf die Fläche des Landes ganz andere Dimensionen erreichen.

Hier berichtet sie:

Ich war für jeweils sechs Wochen in der Abteilung für Pädiatrie und Gynäkologie eingeteilt. Anschließend habe ich vier Wochen in der Abteilung für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) famuliert. Die Southern Medical University, zu welcher das Krankenhaus gehört, bestätigte mir, dass mangelnde Sprachkenntnisse in Mandarin kein Problem darstellen und eine Verständigung auf Englisch möglich ist, was nicht immer zu 100 % zutraf.

Auch in China gibt es seit Januar 2019 das DRG System nach deutschem Vorbild. Die meisten Ärzte bedauerten, die zunehmende Budgetierung der Behandlungskosten durch Wirtschaftler und sie waren der Meinung, dass das DRG System zu vorschnellen Entlassungen der PatientInnen sowie zu einer Verschlechterung der Therapiequalität führt.

Das Medizinstudium ist in China in einen Bachelorstudiengang (MBD of clinical medicine, fünf Jahre) und Masterstudiengang (MD, drei Jahre) aufgeteilt, wobei die Masterstudierenden in Vollzeit die Arbeit eines Assistenzarztes übernehmen und sogar Operationen zum großen Teil eigenständig durchführen. Trotz dessen gibt es kein Gesetz zu deren Bezahlung, denn darüber entscheidet der jeweilige Chefarzt der Abteilung.

Grundsätzlich betreuen auf allen Stationen MD Studierende die Patienten vorrangig, ordnen alle therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen an, erheben die Anamnese und vermerken alles in der Akte der Patienten. Der Oberarzt kontrolliert die Anordnungen und kann um Rat gefragt werden. Die MD-Studierenden haben mir erklärt, dass in China viele Ärzte und Studierende durch ihre PatientInnen verklagt werden und die PatientInnen als „vulnerable Gruppe“ gelten, weshalb sie einen besonderen Status genießen und als schutzbedürftig angesehen werden. Deshalb ist es besonders wichtig, alle Details der ärztlichen Behandlung sorgfältig zu dokumentieren, da es nicht selten zur Androhung eines gerichtlichen Prozesses kommt.

Die Arbeitszeiten für Studierende dort sind in der Regel von 08:00 bis 13:00 Uhr und von 15:00 bis 18:00 Uhr in operativen Fächern häufig auch von 8:00 bis 19:00 Uhr. Es gibt in den Abteilungen verschiedene Teams, die feste Tage zugewiesen bekommen, an denen sie den OP-Saal nutzen können. An allen anderen Tagen kann das Team nur nach dem normalen Programm Notfalloperationen durchführen. Ich konnte die ÄrztInnen, denen ich zugeteilt war, überall hin begleiten und durfte teilweise auch selbstständig Untersuchungen durchführen.

Patientenzimmer auf der privaten Station sind meist Vierbettzimmer, die nur mit Vorhängen abgetrennt werden können, auf den normalen Stationen sind bis zu 6 Patienten in einem Zimmer untergebracht. Die Verpflegung der Patientinnen übernehmen die Familien selbst: Sie bringen Essen mit, helfen bei der Körperpflege und übernachten teilweise in der Klinik neben den Patientinnen – eine neue Erfahrung für mich!

Die Kommunikation konnte ich mir häufig mit Hilfe der App
„WeChat“  erleichtern, die auch Fotos von Arztbriefen gut übersetzt.
Ein Fall ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Eine 18-jährige Patientin hatte vor kurzem im Nanfang Hospital Zwillinge entbunden und bereits ein dreijähriges Kind. Da die vaginale Entbindung der Zwillinge sehr lange gedauert hatte, wurden sie auf der Intensivstation über längere Zeit betreut. Die Krankenversicherung in China, bei der alle Bürger versichert sind, übernimmt meist nur einen gewissen Prozentsatz der Kosten, der sich auch nach der Fachabteilung richtet. Die junge Patientin hatte bereits Schulden von 30.000 Euro bei der Klinik und musste mit ihrem Ehemann zusammen eine Verpflichtungsvereinbarung unterschreiben, dass beide die Schulden abzahlen werden, um überhaupt weiter behandelt zu werden. Die Patientin hat die Möglichkeit, ihren Fall auf einer Internetseite zu schildern, um dann eventuell durch wohlhabende ChinesInnen finanziell unterstützt zu werden, die gerne etwas Gutes tun wollen.

Zusammenfassend habe ich meine Famulaturen als sehr bereichernd erlebt und es war nach anfänglichen Schwierigkeiten sehr gut möglich, diese Famulatur auch ohne Mandarin-Kenntnisse sinnvoll zu absolvieren. Ich habe sehr viel Zeit in der Klinik verbracht, da die Arbeitszeitenregelung für Studierende dort theoretisch festgelegt ist, jedoch sehr unterschiedlich umgesetzt wird., Die meisten ÄrztInnen im Nanfang Hospital waren sehr bemüht mir Abläufe zu erklären und meine Fragen zu beantworten.

 

 

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