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Nachricht vom 11.04.2019
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„Framing ist ein Effekt, der konstant auf uns wirkt“

„Framing ist ein Effekt, der konstant auf uns wirkt“

Interview mit den Studierenden Sophie-Marie Epstein und Leon Vollmer zur diesjährigen PPE Conference an der Universität Witten/Herdecke

Bereits zum vierten Mal fand vom 5. bis 7. April 2019 die internationale PPE (=Philosophy, Politics and Economics) Conference an der Universität Witten/Herdecke (UW/H) statt. Das Besondere: Sie ist von Studierenden für Studierende gemacht. Deshalb steht neben Key Notes von renommierten internationalen Wissenschaftlern vor allem die Präsentation von Student Papers im Vordergrund, bei der Studierende ihre Forschungsthemen und -projekte vorstellen und mit anderen diskutieren können.
Unter dem Leitgedanken „[re]framing reality“ beschäftigte sich die diesjährige Konferenz mit dem Thema Framing. Welches psychologische Phänomen hinter dem Begriff steckt, was Framing zum Beispiel mit Politik und der Europawahl zu tun hat und welche Erkenntnisse die Konferenz hervorgebracht hat, erzählen die studentischen Organisatoren Sophie-Marie Epstein und Leon Vollmer im Interview.

Bei der diesjährigen PPE Conference hat sich alles um Framing gedreht. Der Psychologe Daniel Kahneman hat den Begriff bereits in den 1980er Jahren geprägt. Was genau ist Framing?
Sophie-Marie Epstein: Framing bedeutet, dass verschiedene Formulierungen von Informationen oder Botschaften mit dem gleichen Inhalt das Verhalten des Empfängers unterschiedlich beeinflussen können. Es geht also nicht darum, was gesagt wird, sondern wie es gesagt wird. Die Darstellungsweise ist entscheidend. Jede Information hat einen Frame, also einen Deutungsrahmen, in dem die Realität auf eine bestimmte Weise abgebildet wird. Dieser Frame entscheidet, wie eine Person die Information wahrnimmt.

Klingt sehr theoretisch. Könnt ihr Framing anhand eines praktischen Beispiels erklären?
Leon Vollmer: Klar. Wenn ich zu jemandem „Oh, du hast einen Schmetterling auf der Schulter“ sage, löst das eine andere Reaktion aus als „Oh, du hast ein Insekt auf deiner Schulter“. Der Gehalt der Information ist derselbe, die Reaktion aber anders. Warum? Viele Menschen verbinden Schmetterlinge mit etwas Hübschem. Bei Insekten denken viele hingegen an Spinnen oder andere Krabbeltiere. Die werden als unangenehm empfunden. Das Beispiel zeigt also, dass Framing ein sehr, sehr breites Thema ist. Weil es den Menschen auch in den banalsten Alltagssituationen begegnet.

Habt ihr Framing deshalb als Konferenzthema gewählt – eben, weil es uns alle im Alltag betrifft?
Vollmer: Framing ist ein Effekt, der konstant auf uns wirkt. Er betrifft aber nicht nur den Alltag, sondern kommt in allen gesellschaftlichen Kontexten vor. Ein Beispiel aus der Politik: Framing hat in den vergangenen Jahren eine besondere Bedeutung durch das Aufkommen von Populismus in vielen europäischen Staaten bekommen. Populisten nutzen gerne Bilder oder Informationen, die aus dem Kontext gerissen sind. Damit erzeugen sie einen negativen Frame und bilden nicht die ganze Realität ab. Die Information entfaltet dann eine komplett andere Wirkung. Sich dessen bewusst zu werden, kann helfen, eine andere Perspektive einzunehmen, um negative Frames zu erkennen und abzulehnen. Aktuell ist das Thema somit zum Beispiel auch im Zuge der Europawahl relevant.

Welche Erkenntnisse hat die Konferenz hervorgebracht? Gibt es ein zentrales Ergebnis?
Vollmer: Es ist schwierig, ein grundlegendes Ergebnis herauszuziehen. Es ging zwar immer um Framing, aber die Vorträge hatten ganz unterschiedliche Schwerpunkte und Inhalte. Viele Teilnehmer fanden es bereichernd, bewusster reflektieren zu können, wie und in welchen Situationen sie überhaupt von Frames beeinflusst werden.
Epstein: Wir wollten nicht nur darüber reden, dass wir unterschiedliche Deutungsrahmen in unseren Köpfen haben. Wir wollten auch ergründen, wie man zum Beispiel die Perspektive des anderen besser verstehen kann. Dabei hatten wir völlig unterschiedliche Sichtweisen in unseren Key Notes. Der Vortrag von Gudrun Reijnierse hat sich zum Beispiel mit linguistischen Aspekten von Framing beschäftigt. Dann ging es in anderen Vorträgen um Framing in Politik oder Wirtschaft. Es war auch eine Verhaltenstherapeutin dabei, die mit benachteiligten Jugendlichen arbeitet. Sie hat erklärt, wie bestimmte Frames Erfolg und Misserfolg in der Therapie beeinflussen können. Ein sehr praxisnahes Beispiel.

Welches Fazit zieht ihr aus der diesjährigen Konferenz?
Vollmer: Wir sind sehr zufrieden. Es hat alles reibungslos geklappt. Insgesamt hatten wir über 120 Teilnehmer. Das waren viel mehr, als wir angestrebt hatten. Außerdem war die Tagung stark von Diversität und Internationalität geprägt. Die Teilnehmer kamen aus den unterschiedlichsten Ländern, Neuseeland, Indien, Äthiopien, Shanghai oder den USA zum Beispiel. Uns war es auch wichtig, Studierende mit unterschiedlichen Fach- und Forschungsthemen zu vernetzen und ins Gespräch zu bringen. Das war ein Hauptziel und das haben wir erreicht.
Epstein: Es gab im Nachgang viel positives Feedback. Die Teilnehmer lobten vor allem die vielen Möglichkeiten zum Austausch auf Augenhöhe.

Vor der Konferenz ist nach der Konferenz: Die nächste PPE-Conference für 2020 ist bereits in Planung. Dafür sucht das Organisationsteam noch interessierte Mitstreiter. Wer Interesse hat, kann sich einfach per Mail an info@ppe-conference.org melden.

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