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Nachricht vom 02.06.2022
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Medienkonsum bei Kindern: Viele Eltern unterschätzen die Gefahren

Stockfoto Kinder am Bildschirm (Foto:AlexGreen|pexels)
Stockfoto Kinder am Bildschirm (Foto:AlexGreen|pexels)
Prof. Dr. David Martin (Foto: UW/H)
Prof. Dr. David Martin (Foto: UW/H)
Dr. Silke Schwarz (Foto:UW/H)
Dr. Silke Schwarz (Foto:UW/H)
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Medienkonsum bei Kindern: Viele Eltern unterschätzen die Gefahren

Forschungsprojekt der UW/H beleuchtet gesundheitsgefährdenden Medienkonsum von Kleinkindern und startet gemeinsam mit Kinderärzt:innen eine deutschlandweite Aufklärungskampagne, in der die Mediziner:innen Eltern zur Mithilfe aufrufen. 

Welche Eltern von Kleinkindern kennen es nicht: Das Geschirr stapelt sich in der Küche, der Berg Wäsche wird immer größer und das Abendessen ist auch noch nicht gekocht. Gleichzeitig fordern unsere Kinder permanente Aufmerksamkeit und suchen nach Nähe und Austausch. Da der Tag bekanntlich nur 24 Stunden hat, werden die Kinder nicht selten vor dem Fernseher oder Tablet „geparkt“ – damit ist Ablenkung garantiert. Schon in frühen Kindheitstagen wirken Medien wie ein Magnet auf die Kleinsten.

Was laut Expert:innen viele Eltern unterschätzen: Zu viel Medienkonsum kann die Gesundheit von Kleinkindern nachhaltig schädigen. Nach den Kindermediziner:innen und Wissenschaftler:innen Dr. Silke Schwarz sowie Professor David Martin von der Universität Witten/Herdecke ist die übermäßige Nutzung von Medien insbesondere in den ersten Lebensjahren mit zahlreichen negativen gesundheitlichen Auswirkungen verbunden. Beispiele seien Bindungs- oder Entwicklungsstörungen, sowie negative Effekte auf die Sprachentwicklung. Aus diesem Grund starteten die Mediziner:innen ab dem 1. Juni 2022 die einzigartige, deutschlandweite Interventionsstudie „Bildschirmfrei bis 3“, um die Auswirkungen von Medienkonsum auf Kinder unter drei Jahren zu untersuchen und gleichzeitig auf die Gesundheitsgefährdung durch Bildschirmmedien aufmerksam zu machen.

Eltern leisten wichtigen Beitrag

Die Studie wird in enger Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt:innen (BVKJ) durchgeführt: Im Rahmen der Studie erhalten eine halbe Million Eltern von Kindern, die ab dem 1. Januar 2022 geboren wurden, bei der verpflichtenden Früherkennungsuntersuchung U5 einen Signalaufkleber, der in das gelbe U-Heft eingeklebt wird. Dieser Signalaufkleber steht wie ein Lesezeichen aus dem U-Heft hinaus und erinnert die Eltern durch den Leitspruch „Bildschirmfrei bis 3“ daran, ihre Kinder bis zum Alter von 3 Jahren so gut es geht von Bildschirmmedien fernzuhalten.

„Die ersten drei Jahre sind prägend für die Entwicklung. Eine Stunde in der frühen Kindheit hat in Bezug auf die Entwicklung den Stellenwert von Tagen oder sogar Monaten im späteren Leben. Jede Stunde der ungestörten, spielenden Selbstentwicklung in der Kleinkindzeit ist im wahrsten Sinne Gold wert. Wir haben über 2 Jahre ein möglichst einfaches aber effektives Konzept entwickelt, dass die fachliche Autorität eines Kinderarztes mit Signalaufkleber und Webpräsenz verbindet. Die direkte Aufklärungsarbeit steht im Fokus“, sagt Silke Schwarz und untermauert damit die hohe Bedeutung von „Bildschirmfrei bis 3“.

„Der begeisterte Zuspruch der Kinderärzt:innen gibt uns Hoffnung, dass viele mitmachen"

Über die bereits von vielen Eltern genutzte PraxisApp „Mein Kinder- und Jugendarzt“ erhalten diese zu den Früherkennungsuntersuchungen Fragen zur Nutzung von Bildschirmmedien sowie zur Entwicklung der Kinder. Erste Ergebnisse werden Anfang nächsten Jahres erwartet. Da die Mitwirkung an der Studie nicht verpflichtend ist, setzen die die Initiator:innen auf die Praxen: „Der begeisterte Zuspruch der Kinderärzt:innen gibt uns Hoffnung, dass viele mitmachen, denn sie müssen nicht mehr tun, als einen prägnanten Satz mit den Eltern reden und dabei den Signalaufkleber in das Gelbe Heft einkleben. Die Ärzt:innen in der Kontrollgruppe müssen gar nichts tun. Eltern können einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit unserer Kinder leisten, indem sie uns anonymisierte Daten zum Medienkonsum zur Verfügung stellen,“ sagt David Martin.

Auf einer Projektwebsite finden Eltern Materialien, Hinweise und Tipps zum Umgang mit Bildschirmmedien. Die unterschiedlichen Facetten der Kindesentwicklung wie Spracherwerb, Bindung oder Kreativität werden in den Zusammenhang mit Medienkonsum gestellt und kritisch hinterfragt, außerdem werden Alternativen zum Medienkonsum aufgezeigt: www.bildschirmfrei-bis-3.de

Hintergrundinformationen:

Bei „Bildschirmfrei bis 3“ handelt es sich um eine deutschlandweite, randomisierte Untersuchung der Effektivität einer Intervention beim Umgang mit Bildschirmmedien in der Routineversorgung beim Kinderarzt oder Kinderärztin (Früherkennungsuntersuchungen). Die quantitative Evaluation des Nutzungsverhaltens von digitalen Bildschirmmedien in den Familien und der allgemein frühkindlichen Entwicklung erfolgt mittels Pre-/Post-Befragungen über die App „Mein Kinder- und Jugendarzt“ des BVKJ. Zudem werden multizentrische, qualitative Befragungen des Praxispersonals und teilnehmender Eltern durchgeführt. Ziel der Studie: „Bildschirmfrei bis 3“ führt dazu, dass junge Eltern besser informiert sind und in Folge kleine Kinder unter drei Jahren nicht mit digitalen Geräten beschäftigen. Dies reduziert sekundär die Bildschirmmedien-assoziierte Erkrankungsrate durch eine Reduktion der Bildschirmzeit und die dadurch verbesserte sozio-emotionale, sprachliche sowie fein- und grobmotorische Entwicklung.   

 

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