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Meldung vom 16.07.2019
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Meditation kann auch unangenehm sein

Dr. Terje Sparby

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Universität Witten/Herdecke

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Meditation kann auch unangenehm sein

Wittener Psychologieforscher an länderübergreifender Studie zu Meditation beteiligt / Mehr als ein Viertel der Probandinnen und Probanden, die regelmäßig meditieren, haben unangenehme Erfahrungen gemacht

Wer meditiert, ist ruhiger, entspannter und gelassener: Achtsamkeitsübungen gelten im Alltag oft als wirksame Lösung gegen Stress. Dass Meditieren auch mit dem Gegenteil in Verbindung gebracht werden kann, haben Forscherinnen und Forscher der Universität Witten/Herdecke (UW/H), des University College London und der University of Ljubljana in einer internationalen Online-Umfrage mit 1.230 Teilnehmerinnen und Teilnehmern herausgefunden. Mehr als ein Viertel der Menschen, die regelmäßig meditieren, haben demnach bereits unangenehme psychologische Erfahrungen bei Meditationsübungen gemacht.

Neuartiges Forschungsfeld

Bei der Auswertung haben die Forscherinnen und Forscher der Studie, die in der internationalen Online-Zeitschrift PLOS ONE veröffentlicht wurde, bei den Meditationstechniken zwischen konstruktiv und dekonstruktiv unterschieden. Konstruktive Techniken sind als „aufbauend“ zu verstehen, dekonstruktive Techniken wie Vipassana oder Koan als „zerlegend und analytisch“. Die Probandinnen und Probanden gaben an, sowohl bei den konstruktiven als auch bei den dekonstruktiven Techniken Angstgefühle, Sorgen, verzerrte Emotionen und Gedanken sowie eine veränderte Eigen- oder Fremdwahrnehmung erlebt zu haben.

„Diese Studie deutet darauf hin, dass wir Meditation nicht oberflächlich fassen dürfen. Es ist kein Allheilmittel, das nur zu angenehmen Erfahrungen und Entspannung führt“, betont Dr. Terje Sparby, Philosoph und Forscher am Lehrstuhl für die Grundlagen der Psychologie und im Integrierten Begleitstudium Anthroposophische Psychologie (IBAP) der UW/H. Dabei sei es wichtig, keine vorzeitigen Schlüsse über negative Auswirkungen von Meditation zu ziehen. „Wir wissen sehr wenig darüber, unter welchen Umständen Meditation unangenehm werden kann und welche Bedeutung das hat. Mehr Forschung ist nötig, um die Wirkungsweisen von Meditation und vor allem von unterschiedlichen Meditationstechniken besser zu verstehen.“

Unterschiede bei Frauen und Männern

Vielfältige Ansätze für Folgestudien bieten vor allem Einzelergebnisse, die interessante Ausprägungen aufzeigen. So hatten Probandinnen und Probanden, die nur dekonstruktive Meditationstechniken anwenden (29,2 %) oder schon an einem Retreat (spirituelle Ruhephase) teilgenommen haben (29 %), eher unangenehme Erfahrungen.

Ebenso gibt es Unterschiede bei Geschlechtern und der Religiosität: Männer berichteten häufiger von unangenehmen Erfahrungen (28,5 %) als Frauen (23 %). Gläubige Menschen (30,6 %) hatten durchschnittlich weniger unangenehme Erlebnisse als nicht-religiöse Menschen (22 %). Rückschlüsse können die Forscher daraus nicht ziehen.

Auf die richtige Dosis kommt es an

„Längsschnittstudien können uns helfen, die Zusammenhänge zum Beispiel zwischen Persönlichkeitsmerkmalen, unangenehmen Erfahrungen und positiven Wirkungen der Meditation besser zu verstehen“, erklärt Terje Sparby. Dabei ginge es nicht darum, gegen Meditation zu argumentieren, sondern aufzuklären: „Diese Art von Forschung könnte dazu führen, dass klinische Richtlinien, Kurse und Handbücher für die Meditationslehre entwickelt werden. Genau wie bei einem Medikament könnte es beim Meditieren auf das richtige Mittel, die richtige Dosis und die richtige Anwendung ankommen – all das kann von Mensch zu Mensch ganz individuell ausfallen.“

Fallstudie mit eigenen Erfahrungen

Zusätzlich zu seiner Arbeit im internationalen Forschungsprojekt hat Terje Sparby unangenehme Erfahrungen beim Meditieren in einer eigenen Fallstudie untersucht. Darin beschreibt er seine Erfahrungen mit negativen Auswirkungen von Meditation über einen Zeitraum von 15 Jahren hinweg – und wie es ihm gelang, Unruhe, Panik oder gar Atemnot zu überwinden und in positive Meditationserlebnisse umzuwandeln. Sparby argumentiert, dass es wichtig sei, Meditationseffekte in langfristigen Entwicklungsprozessen zu untersuchen, um keine voreiligen Rückschlüsse über Auswirkungen zu ziehen. Die Studie soll noch im Sommer 2019 in der Fachzeitschrift Mind and Matter veröffentlicht werden.


Veröffentlichungen:

Schlosser, M., Sparby, T., Vörös, S., Jones, R., Marchant, N. L.: Unpleasant meditation-related experiences in regular meditators: Prevalance, predictors and conceptual considerations, in: PLOS ONE, https://doi.org/10.1371/journal.pone.0216643, 9. Mai 2019.

Sparby, Terje: Fear, Bliss and Breathing Changes during Meditation: A Case Study of a Transformative Experience, in: Mind and Matter, Veröffentlichung voraussichtlich 2019

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