Raphael Landua, PPE-Absolvent, berichtet über einen Master, der begeistert, fordert und fördert, seine Arbeit im Deutschen Bundestag und das vertraute Gefühl, wenn man wieder in Witten ist.

Was anderes als einen gewöhnlichen Master

Wenn du etwas bewegen willst, dann mach es doch!“

Es ist ein Freitag im Juli 2014, Auswahlseminar. Mein erster Kontakt mit der Uni Witten/Herdecke. Mit mir zusammen bewerben sich noch sieben andere potenzielle Studierende. Konkurrenz? Keine Spur. Wir gehen ganz offen miteinander um, jeder hat etwas zu erzählen und jeder hat auf seine Weise etwas Besonderes an sich - ein spannendes Bachelorstudium (z. B. Islamwissenschaft, Sinologie oder Physik) oder interessante Berufserfahrungen in Unternehmen und NGOs. Vor allem aber: Eine Offenheit und Neugier, die mich sofort begeistert hat. Ich sitze im Seminarraum, mit mir Professoren und aktuell Studierende. Die Professoren fragen nicht nach meinen Noten, sondern warum ich genau hier studieren möchte und wie ich der geworden bin, der ich heute bin. Als ich am Nachmittag wieder nach Hause fahre, weiß ich: Hier möchte ich meinen Master machen!

PPE – ein „Real World“-Master

Wie kam es dazu, dass ich mich in Witten beworben und schließlich dort studiert habe?
Nach meinem Bachelor in Religionswissenschaft und Volkswirtschaft an der Uni Frankfurt und nach knapp vier Jahren in der Vermögensverwaltung, habe ich einen Masterstudiengang gesucht, der Wirtschaft nicht nur eindimensional betrachtet; der kulturelle, politische und gesellschaftliche Fragen nicht nur zulässt, sondern mit einbezieht; der anders ist als ein gewöhnlicher Ökonomie-Master an einer gewöhnlichen Uni. Im Web bin ich fündig geworden: Philosophy, Politics and Economics, in englischer Sprache. Ein, wie die Uni ihn selbst bezeichnet, „Real World“-Master. In meinem Auswahlseminar sollten wir in einer Gruppenaufgabe Strategien gegen die Ausbreitung des sogenannten Islamischen Staats diskutieren und dabei ökonomische, politische und ethische Gründe berücksichtigen. Denn um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu analysieren und Lösungsansätze entwickeln zu können, muss man Wirtschaft und Politik zusammendenken – und das „Zusammendenken“ wird durch die Philosophie optimal reflektiert und ergänzt. Das ist, in Kürze, der Ansatz dieses Masters, der mich vom ersten Tag an begeistert, gefordert und gefördert hat.

Kritisch denken

Heute arbeite ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter für einen Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Dort bin ich unter anderem für die Ausschussarbeit des Abgeordneten (Arbeit & Soziales und Europa) zuständig. Ich bereite also Reden, Vorträge und Gastbeiträge vor und erarbeite gemeinsam mit den anderen Abgeordneten Ideen und politische Initiativen. Es ist ein Job, der unheimlich spannend, sehr arbeitsintensiv und abwechslungsreich ist und wirklich viel Spaß macht. Wie hat mich die Uni Witten/Herdecke auf diesen Job vorbereitet? Zunächst sind es das Basiswissen, Grundzüge der ökonomischen Modelle, politische Theorien, philosophische Ideen. Kann man immer brauchen. Viel wichtiger aber noch: Kritisch denken. In den ersten Wochen ist man vielleicht genervt, wenn die älteren Kommilitonen alles, wirklich alles, infrage stellen. Jedes Wort. Es hilft aber, sich auf dieses Denken einzustellen. Nicht alles für gegeben zu nehmen. Auch zu sehen, dass es mehr als nur ein gutes Argument, mehr als nur einen Standpunkt gibt. Dass man Herausforderungen wie Klimawandel, Migration oder Digitalisierung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten muss, um zu einer Lösung zu kommen. Für die politische Praxis ist das besonders wichtig.

„Witten ist ein Stück Familie“

Tatsächlich sind es aber nicht nur die „Hard Facts“ und auch nicht nur das akademische Wissen, auf die es in Witten ankommt. An den meisten Unis heißt es: Ah cool, du engagierst dich in einer studentischen Initiative? In Witten heißt es: In welcher Initiative bist du? Oder auch: In wie vielen Initiativen bist du? Ohne das studentische Engagement wäre die Uni nicht dasselbe. Das mag alles wahnsinnig aufgesetzt klingen, aber ich empfinde es wirklich so. Die Initiativen sind ein Ausdruck dessen, was uns die Uni an Freiraum lässt. Wenn dich etwas stört, dann kümmere dich doch darum. Wenn du etwas bewegen willst, dann mach es doch! Manchmal wünsche ich mir diesen Ansatz für unsere ganze Gesellschaft. Ach so, meine Initiative war und ist das Erasmus Student Network, das sich für internationale Studierende einsetzt und auf höherem Level für die europäische Integration.

Vor einiger Zeit war ich mal wieder in Witten – beim Alumnitreffen 2018. Ehemalige Studierende kamen aus der ganzen Welt, viele gute Freunde und alte Kontakte. Als ich durch die Stadt lief, habe ich direkt wieder Leute getroffen, die ich kannte. Wie immer halt, wenn man in Witten ist. Dieses vertraute Gefühl war direkt wieder da. Auch wenn in Berlin einfach mehr los ist, auch wenn Frankfurt meine Heimat ist, Witten ist einfach ein Stück Familie.