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Organisierte Verantwortungslosigkeit – die impliziten Normen des Investmentbankings verstehen

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© Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH

Organisierte Verantwortungslosigkeit – die impliziten Normen des Investmentbankings verstehen

Der Dokumentarfilm „Master of the Universe“ von Marc Bauder gibt Einblicke in die merkwürdige Parallelwelt der Investmentbanker. Dies haben wir im Wintersemester 2014/15 Seminar Organisation & Moral zum Anlass genommen, das prekäre Wechselspiel von Organisation und Moral genauer zu untersuchen.

Der Link zum Film: Master of the Universe 

Working Paper: Organisierte Verantwortungslosigkeit – die impliziten Normen des Investmentbankings verstehen

Im Film „Master of the Universe“ (Bauder, 2013) schildert und reflektiert Rainer Voss, ein ehemaliger Investmentbanker, seine frühere Arbeitswelt mit Hinblick auf die Finanzkrise 2007/2008. Voss erläutert aus seiner Erfahrung heraus Mechanismen, Zusammenhänge und Auswirkungen der Organisation Bank auf ihn selbst, seine Familie, Freundinnen und Freunden, Kollegeninnen und Kollegen und die Gesellschaft inklusive anderer Banken. Voss zeichnet ein Bild, in dem sich die Organisationskultur der Banken durch eine bedingungslose Loyalität auszeichnen. Angst, ausgestoßen zu werden und die Illusion einer außergewöhnlichen Gemeinschaft anzugehören (Mechanismen, die wir von Sekten kennen) werden zum zentralen Managementinstrument um Einsatzbereitschaft, Hörigkeit und moralische Blindheit zu kultivieren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars (Ramona Fricke, Franca Kneier, Florian Kollewijn, Maximilian Locher & Florine Weiß) haben ausgewählte Interviewausschnitte des Films transkribiert und mit hermeneutischen, sowie habitus-, strukturations- und systemtheoretischen Theorieansätzen aus dem Seminar analysiert. Die hieraus entstehenden Seminararbeiten wurden in einem Bericht mit sieben Kapiteln gebündelt.

Die einzelnen studentischen Arbeiten machen deutlich, wie das (problematische) Geschäft mit Finanzinnovationen konkret in die Organisationen, und damit mittelbar in die „Lebenswelt“ ihrer Organisationsmitglieder eingebettet war. Abschließend wird aufgezeigt, wie die einseitige und in letzter Konsequenz unethische Organisationskultur wieder remoralisiert werden kann. Dies setzt jedoch ein Verständnis dessen voraus, wie Organisation, Organisationskultur und Individuum sich wechselseitig beeinflussen, also wie individuelle Moral einerseits im Guten in Organisation inkorporiert und andererseits im Schlechten von Organisationkorrumpiert werden kann. Es wird deutlich, dass sich an der Krisenhaftigkeit des Finanzsystems kaum etwas ändern kann, solange seine Organisationen darauf ausgelegt sind, den weiterhin vorhandenen moralischen Kompass ihrer Mitarbeiter auszuschalten bzw. aus dem eigenen Operieren auszuschließen. Banken bringen ihrem Spitzenpersonal sehr wohl Normen bei, doch bei aller dadurch erreichbaren Profitabilität werden dadurch auch menschliche Tragödien und die Entstehung von Finanzkrisen befördert!

 

Kontakt:

Werner Vogd

werner.vogd@uni-wh.de

 

Working Paper:

Fricke, Ramona; Kneier, Franca; Kollewijn, Florian; Locher, Maximilian; Weiß, Florine; Vogd, Werner (2015): Keine Finanzkrise ohne normative Organisation: The Master of the Universe Download

Beitrag vom 18.08.2020

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