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Krankenhausmanagement: Verantwortung für das Ganze

Krankenhausmanagement: Verantwortung für das Ganze

Martin Feißt untersucht in seiner Masterarbeit als Teil eines Forschungsprojektes, wie Medizin, Ökonomie und christliche Werte in einem katholischen Krankenhaus zusammenfinden. Das Ergebnis: es geht (noch), aber es kommt auf das Management an.

Die „Ökonomisierung des Krankenhauswesens“ ist in aller Munde und droht fast schon zum Gemeinplatz zu werden. Wer davon spricht erntet zustimmendes Kopfnicken. Eine vermeintlich böse Wirtschaft kolonialisiert eine vermeintlich gute Medizin – und wer dies feststellt darf sich selbst zu den Guten zählen. Das stimmt natürlich. Und es stimmt auch nicht. Und damit sind wir schon bei einer der ersten Erkenntnisse, die ich in meinem Master „Ethik & Organisation“ gewonnen habe.

Während meines Masters arbeitete ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt „Entscheidungsfindung im Krankenhausmanagement“. Im Rahmen dieses dreijährigen Projektes interviewte ich zusammen mit drei Kollegen die Krankenhausleitungen von über 12 Kliniken unterschiedlicher Trägerschaften. Ich war somit bereits im Master vollumfänglicher Teil eines Forschungsprojektes – von der Akquise, über die Erhebung bis hin zur Auswertung, kleineren Publikationen und Vorträgen sowie der Finalisierung des Forschungsberichtes in Form einer Monographie. Somit war es auch naheliegend, dass die Masterarbeit ebenfalls Teil dieses Projektes war.

Inhaltlich umreiße ich dabei zunächst das systemtheoretische Organisationsverständnis (Luhmann), das der Arbeit zugrunde liegt. Hieran lassen sich dann einerseits die Ausarbeitungen von Dirk Baecker zum Management anschließen und andererseits mit der Kontexturanalyse (Till Jansen/Werner Vogd) eine Brücke zur rekonstruktiven Sozialforschung schlagen. Im empirischen Teil liegt die Herausforderung dann darin, eine konkrete Krankenhausleitung in konfessioneller Trägerschaft als Arrangement zu rekonstruieren. Dabei geht es dezidiert nicht darum, den Erfolg des vorliegenden Managements einem einzelnen heroischen Akteur zuzurechnen, sondern als Praxis des Zusammenspiels von kaufmännischer Leitung, Pflegedienstleitung und ärztlicher Leitung zu verstehen. Erst die Rekonstruktion der subtilen Unterordnungs- und Überordnungsverhältnisse sowie der spezifischen Verschachtelung politischer, wirtschaftlicher, pflegerischer, rechtlicher, ärztlicher sowie konfessioneller Rationalitäten lassen den (Miss-)Erfolg des Managements nachvollziehbar werden. So werden beispielsweise konfessionelle Werte situativ gegen wirtschaftlichen Anforderungen ausgespielt, um diese dann gleichzeitig als geschicktes „Branding“ in der Außenkommunikation nutzbar zu machen und bei Bedarf auch in der Innenkommunikation strategische Entscheidungen zu legitimieren, was sich wiederum positiv auf die Personalbindung auswirkt.

Die Unterstellungen einfacher strategisch-instrumenteller Überlegungen würde hier jedoch zu kurz greifen. Christliche Werte sind im vorliegenden Fall nicht nur Mittel für ein erfolgreiches Marketing-Konzept, sondern spielen auch dort in organisatorische Entscheidungen hinein, wo es keinen unmittelbaren Profit verspricht. Es spricht dann aber auch nichts dagegen, dies dennoch geschickt zu vermarkten. So schafft es die untersuchte Klinik eine unter DRG-Bedingungen eigentlich unrentable Geburtenstation so aufzuziehen, dass sie groß genug ist, um wirtschaftlich tragfähig zu sein und gleichzeitig einen guten Ruf genießt. Die Kunst eines erfolgreichen Krankenhausmanagements liegt damit eben nicht darin, alle Prozesse betriebswirtschaftlich auszurichten, sondern vielmehr darin, in ein komplexes Spiel aus unterschiedlichen Logiken und Referenzen einzutreten (wirtschaftlich, medizinisch-pflegerisch professionell, konfessionell, etc.). Genau dies – und das hat sich besonders im Kontext des umfassenden DFG-Projekts gezeigt – wird aber durch die politischen Rahmenbedingungen extrem erschwert und in vielen Fällen unmöglich gemacht. Entsprechend ist es weniger entscheidend, ob sich ein Krankenhaus in konfessioneller, privater oder öffentlicher Trägerschaft befindet. Entscheidend ist vielmehr, ob sich das jeweilige Management darauf versteht allen beteiligten Referenzen (Pflege, Behandlung, Wirtschaft, Recht, etc.) Spielräume und Gehör einzuräumen. Und welche Spielräume hierfür die Kliniken von Seiten der Politik zurückerhalten.

 

Kontakt:

Martin Feißt

martin.feisst@uni-wh.de

 

Publikation:

Feißt, Martin. St. Joseph-Krankenhaus: Verantwortung für das Ganze. S. 326-385 in Vogd, W., Feißt, M., Molzberger, K., Ostermann, A., & Slotta, J. (2017). Entscheidungsfindung im Krankenhausmanagement: zwischen gesellschaftlichem Anspruch, ökonomischen Kalkülen und professionellen Rationalitäten. Wiesbaden: Springer VS.

Beitrag vom 27.10.2020

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