Die Universität Witten/Herdecke ist durch das NRW-Wissenschaftsministerium staatlich anerkannt und wird – sowohl als Institution wie auch für ihre einzelnen Studiengänge – regelmäßig akkreditiert durch:
Obwohl es gesellschaftlich und politisch wenig umstritten ist, dass eine qualitative und hochwertige stationäre Altenpflege gewährleistet werden soll, ist weitgehend unklar, wie dies erreicht werden kann.
Bereits vor der Covid-19-Pandemie wurde die angespannte personelle und materielle Ressourcenlage in der stationären Altenpflege deutlich. Die Bundesagentur für Arbeit meldete 2021 unbesetzte Stellen in den Pflegeberufen. Während der Covid-19-Pandemie erlebten Pflegende in der Altenpflege weitere erhebliche Personalausfälle sowie Umverteilungen und häufiges Einspringen für erkrankte Kolleg:innen; zu den ohnehin erschwerten Bedingungen der täglichen Pflegetätigkeit kamen weitere physische und psychische Belastungen hinzu. Dazu gehören auch das vermehrte Versterben von Bewohner:innen, die aufwendige Versorgung von Infizierten unter strengen Hygieneauflagen sowie das Begleiten von Sterbenden oder Menschen mit Demenz ohne deren Angehörige.
Durch die Covid-19-Pandemie arbeiteten Pflegende in Altenheimen also unter nicht mehr nur unter angespannten, sondern bisweilen unter außerordentlich belastenden Bedingungen. Die besonders hohe psychische Belastung von Pflegenden in der stationären Altenpflege wurde bereits durch Studien ausgewiesen. Die Zahlen von Langzeiterkrankten mit psychischen Ursachen wie Burn-out, posttraumatischen Stressstörungen, Ängsten und Depressionen steigen weiterhin. Dies hat mitunter zu vermehrtem Berufsausstieg und Arbeitszeitreduktion mit teilweise prekären Arbeitsverhältnissen geführt.
Daneben müssen weitere Strategien zur Belastungsreduktion untersucht und im Idealfall gestützt werden. Darunter fallen Bewältigungsstrategien, die Personen einsetzen, um Probleme und Aufgaben gezielt lösen zu können und sich vor den Folgen der Belastungen zu schützen. Diese Coping-Strategien sollen die erlebte Belastung und den daraus folgenden inneren Spannungszustand reduzieren. In diesem Sinne kommt es in der Pflege auf eine Balance zwischen Selbstsorge (d. h. Strategien, die die eigenen Belastungen reduzieren und Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen) und der Sorge um andere (d. h. die fürsorgliche Begleitung von Bewohner:innen) an.
Besonders angesichts der mentalen Belastung, die mit der Verrichtung pflegerischer Arbeit in der Covid-19-Pandemie einhergeht, sind jedoch nicht nur die Pflegenden gefragt, den beruflichen Alltag zu bewältigen. Es sind weitere Perspektiven und relevante Strukturen aufzugreifen, die auf die Möglichkeit zur Anwendung von Bewältigungsstrategien wirken. Hier sind einerseits die professionelle Identität Pflegender als stets präsenter Aspekt der eigenen Handlungen und Bewältigungsstrategien und andererseits die gesellschaftliche Wahrnehmung und die strukturellen Bedingungen zu nennen.
Ziel des Projekts Professionelle Identität und Coping-Strategien von Pflegenden angesichts der Corona-Krise (PICo) ist es, Empfehlungen zu entwickeln, wie eine qualitativ hochwertige stationäre Altenpflege auch unter hohen Belastungen, wie sie sich in der Corona-Krise gezeigt haben, gewährleistet werden kann.
Diese Empfehlungen werden interdisziplinär und multiperspektivisch erarbeitet und als Szenarien dargestellt. Die Perspektive liegt dabei auf den Handlungen, die der Bewältigung individueller Belastungen dienen, und in der Frage, wie diese durch strukturelle und gesellschaftliche Maßnahmen nachhaltig bewahrt, geschützt und unterstützt werden können.
Die Hauptfragestellung des Projektes lautet:
Welche Coping-Strategien haben sich angesichts der professionellen Identität von beruflich Pflegenden und der besonderen Belastungen durch die Corona-Krise kurz-, mittel- und langfristig bewährt und können bei zukünftigen Belastungsspitzen genutzt werden?
Das PICo-Projekt widmet sich den Herausforderungen aus zwei Perspektiven. Zum einen werden die beruflich Pflegenden, ihre Belastungen und Coping-Strategien als Binnenperspektive der Profession im Setting Altenheim fokussiert. Hierfür werden Pflegende mittels eines faktoriellen Surveys (FS) befragt. Der zweite Teil nutzt die Ergebnisse der ersten Untersuchung als Basis für ein zweischrittiges Konsensusverfahren. Die Ergebnis sollen dabei helfen, interdisziplinäre, multiperspektivische und szenarienbasierte Empfehlungen zu Coping-Strategien bei Belastungsspitzen zu entwickeln. Hierbei kommen qualitative Analyseverfahren zum Einsatz.
Parallel dazu soll die mediale, politische und gesellschaftliche Wahrnehmung des Berufes einbezogen werden.
Für beide Betrachtungsweisen ist die berufliche Identität der Pflegenden zentral. Diese ist zwischen Selbstanspruch, Binnenwahrnehmung, externen Ansprüchen und tatsächlich zu realisierender Alltagspraxis anzusiedeln. Zudem gilt es aus Sicht der Pflegenden, die Identität immer wieder zu behaupten. Durch diese breite Basis und Beteiligung verschiedener Akteur:innen soll gewährleistet werden, dass die szenarischen Empfehlungen aussagekräftig und breit konsentiert sind.
Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Neben dem Lehrstuhl für Sozialphilosophie und Ethik im Gesundheitswesen der Universität Witten/ Herdecke ist das Institut für Pflegewissenschaft und -praxis der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg als Projektpartner beteiligt.
Die Universität Witten/Herdecke ist durch das NRW-Wissenschaftsministerium staatlich anerkannt und wird – sowohl als Institution wie auch für ihre einzelnen Studiengänge – regelmäßig akkreditiert durch: