Mara Zöller, Bachelorstudentin im Studiengang Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, über praktische Erfahrung und erfahrbare Kulturreflexion.

Kopfüber ins kalte Wasser

Ich trete ans Pult, das Scheinwerferlicht strahlt grell und ich blicke in 2.000 erwartungsvolle Gesichter. Hier in den Deichtorhallen in Hamburg, bei der Eröffnung des Nachwuchspreises „gute aussichten – junge deutsche fotografie“, erlebe ich die Krönung meines Praktikums.

Ich lese Gedichte, die ich zu den einzelnen Preisträgern verfasst habe. Es sind nur wenige Zeilen und normalerweise habe ich kein Problem, vor Publikum zu sprechen; trotzdem bin ich extrem nervös. Wie oft bekommt man schon die Chance, vor 2.000 Menschen zu sprechen? „Ruhig atmen, gerade stehen, nicht verlesen“, denke ich und setze zum ersten Wort an.

Praktika gehören dazu

Das Praktikum bei der Firma „gute aussichten“, der ich diesen eindrucksvollen Augenblick verdanke, war das erste im Rahmen meines Studiums. In dem kleinen Organisationsteam trug ich sehr schnell große Verantwortung und konnte eigene Ideen einbringen. Im Rahmen der  Vergabe des Nachwuchspreises stand eine Menge Kommunikations- und PR-Arbeit an. Aber auch kuratorische Arbeiten durfte ich kennenlernen. Für mein zweites Praktikum bewarb ich mich auf eine Hospitanz in meinem Geburtsland Brasilien beim ZDF-Auslandsstudio in Rio de Janeiro und wurde sogar genommen. Meine Arbeit dort fokussierte sich vor allem auf journalistische Aufgaben und ermöglichte mir einen intensiven Blick hinter die Kulissen eines etablierten Medienhauses.  

Wie man merkt, ist mir das Eintauchen in die Praxis enorm wichtig. Schon vor meinem Studium habe ich mir viel Zeit genommen, um auszuloten, was zu mir passt. Ursprünglich wollte ich Medizin studieren und wurde auf diesem Weg auch auf die Universität Witten/Herdecke aufmerksam. Nach einem achtmonatigen Praktikum im Krankenhaus, stellte ich allerdings fest, dass dieser Bereich doch nicht so meinen Interessen entspricht. Trotzdem wollte ich unbedingt in Witten studieren, da mich die Uni während meiner vorherigen Recherche bereits überzeugt hatte.

Erfreulicherweise gab es mit Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis die passende Alternative für mich, da ich schon immer eine kreative Ader hatte und gerne schreibe.

Der Studiengang ist sehr breit gefächert und eröffnet mir zahlreiche berufliche Perspektiven. Daher sammel ich nun so viel praktische Erfahrung wie möglich, um mein Profil zu schärfen. An meiner Fakultät ist dies ausdrücklich erwünscht und daher vom ersten Semester an elementarer Bestandteil des Studiums.

Schwimmen lernen

Bei allen Praktika und Initiativen habe ich gemerkt, dass mein Studium mich gut darauf vorbereitet hat – nicht nur inhaltlich, sondern vor allem strukturell. Ich lernte von Anfang an „ins kalte Wasser zu springen und zu schwimmen“.

Die hier vermittelte Denkweise, fragend an alles Neue und Unbekannte heranzugehen und aus möglichst vielen Perspektiven zu betrachten, hat mir die Angst vor diesem Sprung genommen. Den Master möchte ich daher gerne im Ausland machen. Durch das Studium in Witten fühle ich mich dafür bestens gerüstet.

kultur.moment

Doch nicht nur in Berufspraktika habe ich einen Weg gefunden, Kulturreflexion erfahrbar zu machen. Zusammen mit zwei Kommilitoninnen habe ich „kultur.moment“ ins Leben gerufen: An einem Abend im Semester bringen wir 30 Menschen unterschiedlicher Professionen an einen Tisch. Darunter sind Professoren und Studierende aller Fakultäten. Außerdem laden wir drei externe Referenten ein, die mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zum jeweiligen Thema des Abends sprechen. 

Das Schöne an diesem Format ist, dass alle zusammen essen und auf Augenhöhe diskutieren – in etwa wie bei einem Abendessen mit der eigenen Familie. Bisher haben wir die Themen „Denken wir digital?“, „Freiheit - Macht = Utopie?“ und „Kunst & Geld“ zur Debatte gestellt. Indem wir die Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen zusammenbringen, machen wir den oft etwas vagen Begriff „Kulturreflexion“ greifbar.