Lukas Stolz und das studentische Kollektiv super_filme berichten über kulturelle Stadtbelebung und die Verbindung von Studium und Projektarbeit.

Es braucht mehr als eine Disziplin, um die Realität zu erklären

Die Universität Witten/Herdecke eröffnet mir die großartige Möglichkeit, Studium und aktive Mitarbeit am kulturellen Angebot in der Stadt miteinander zu vereinen. Es ist mir wichtig, gesellschaftliche Zusammenhänge zu verstehen und aus verschiedenen Perspektiven betrachten zu können. Dazu gehört für mich auch die Beschäftigung mit Kunst und Kultur. Der interdisziplinäre Bachelorstudiengang Philosophie, Politik und Ökonomik an der Universität Witten/Herdecke bietet mir dafür den perfekten Rahmen.

Nach dem Beginn meines Studiums traf ich hier schnell auf Menschen, die ähnliche Vorstellungen und Interessen hatten wie ich. Mit einigen von ihnen startete ich eine Initiative, mit der wir Filme zum Gegenstand unserer kulturellen Arbeit machen.

Super Filme als Kommentare zu aktuellen Debatten

Zusammen mit Pujan Karambeigi, David Kempf, Till Gentzsch und Pierre Schwarzer bilde ich nun das studentische Kollektiv super_filme. Seit Anfang 2014 tragen wir über das Medium Film Themen, mit denen wir uns an der Uni beschäftigen, hinaus in den Stadtraum Witten. Die Film-Interventionen sehen wir als einen Versuch, Diskurs- und Stadtbelebung zu kombinieren und aktuelle gesellschaftliche Debatten zu kommentieren. Ein Beamer, eine Leinwand und ein Wittener Hinterhof waren zunächst alles, was wir dazu benötigten.

Goodbye Fernsehen: Television Space

Mittlerweile sind unsere Vorhaben umfangreicher und komplexer. Nach dem Motto „Alle reden übers Internet, wir machen ein letztes Mal Fernsehen!“ entstand unser bisher größtes Projekt: Der Television Space. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung wollten wir uns dem abgestorbenen Apparat des Fernsehers und seinen vergessenen Versprechungen zuwenden: Ohne Unterlass, sieben Tage die Woche, die generischen Bilder der Welt zusammenzuführen. Auf u. a. neun Röhrenfernsehern zeigten wir Filme und YouTube-Clips, initiierten Diskussionsveranstaltungen, Performances und Ausstellungen – 49 Tage am Stück, sieben Tage die Woche, acht Stunden am Tag. Man könnte den Television Space als ersten temporären Offspace Wittens bezeichnen, an dem sich über 20 Studierende aus fast allen Fachrichtungen der Universität aktiv beteiligt haben. Auch Alumni sind für dieses Projekt wieder nach Witten zurückgekehrt, zudem hatten wir einige internationale Kooperationen mit Kurator*innen aus Istanbul oder London.

Als Ort wählten wir bewusst einen Leerstand an der unteren Bahnhofstraße in Witten. Diese ist eigentlich zentral gelegen und hat doch wenig Fußgängerverkehr. Durch den „Dauerbeschuss“ mit Bildern sorgten wir für eine Wiederbelebung des Ortes. Das Format der Fernsehsimulation ermöglichte es uns, verschiedenste Inhalte aneinanderzureihen. Damit konnten wir unterschiedliche Zuschauergruppen ansprechen, was ja auch immer Teil des Fernsehens war.

Um auf das Projekt aufmerksam zu machen, produzierten wir vier Ausgaben unserer eigenen Fernsehzeitung „N3“, die wir im Umkreis der Bahnhofstraße verteilten. Aber auch ohne Programm konnten sich jede Passantin und jeder Passant „hineinzappen“ und Teil des Projekts werden.

Studium und Projektarbeit gehen Hand in Hand

Die Universität Witten/Herdecke bietet gerade in unseren Studiengängen die idealen Voraussetzungen, um eigene Initiativen in das Studium zu integrieren. Unserer Erfahrung nach sind die Lehrenden sehr offen für Projektvorschläge, die natürlich in die Module des Studiengangs passen müssen. So hatten wir die Möglichkeit, Television Space zu einem Teil unseres Studienverlaufs zu machen. Wir reflektierten das Projekt in einer Studienarbeit und konnten es uns anschließend als Leistung anrechnen lassen.

Die Verzahnung von Projekt und Universität ging jedoch noch weiter. Nach Absprache mit einem Dozenten fand eine Sitzung eines Seminars zum Kulturmanagement in den Räumen des Television Space statt. Unser Projekt wurde so selbst zum Forschungsgegenstand und wir hatten die Chance, unser eigenes Handeln zu reflektieren und mit unseren Kommilitonen kritisch zu hinterfragen. Stärker können Theorie und Praxis nicht verbunden werden.

Der nächste Schritt

Nach all diesen Erfahrungen bieten wir in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Kulturreflexion nun sogar ein eigenes Seminar an. Internationale Filmemacher sind eingeladen, mit Studierenden zusammenzuarbeiten, Texte zu besprechen und neue Bilder zu produzieren. Diese Verbindung von studentischer Eigeninitiative, kulturellem Wirken und Lehre ist wohl an keiner Universität so gut möglich wie an der Universität Witten/Herdecke.