Fakultät für Gesundheit

    Institut für Evolutionsbiologie

    Im Institut für Evolutionsbiologie beschäftigen wir uns mit den Großübergängen in der Evolution der Tierwelt und des Menschen und mit Konzepten zur Entwicklung einer Organismischen Biologie.

    Organismen sind lebende Systeme, die sich aktiv von ihrer Umwelt abgrenzen und mit dieser Umwelt auf verschiedenen Ebenen interagieren. In diesem Sinne entwickelt jeder Organismus eine relative Autonomie, die ihm mehr oder weniger Freiheitsgrade in seinem Lebensumfeld ermöglichen.

    Diese Formulierung enthält eine Reihe von Fragestellungen, denen wir im Institut für Evolutionsbiologie nachgehen, z.B.:

    • Was kann im Organischen unter einem System verstanden werden? Derzeit wird in der Biologie viel über Systemansätze diskutiert, es fehlt aber nach wie vor ein kohärenter Systembegriff, der vor allem aus empirischen Befunden zu entwickeln wäre. Die Frage ist vor allem, ob man dabei die spezifischen Eigenschaften des Lebendigen erfassen kann, um damit zu einem organismischen Lebensverständnis zu kommen, anstatt Organismen als komplexe Maschinen aufzufassen.
    • Hat sich die Autonomie von Organismen im Laufe der Evolution verändert und wenn ja wie? - In welchem Verhältnis stehen diese Veränderungen zu den jeweiligen evolutiven Anpassungen?
    • Was bedeutet es, dass Organismen zunehmende Freiheitsgrade in ihrer Umwelt gewinnen für das Verständnis der Evolution an sich und für das Bild, das wir uns von Organismen machen? - Was bedeutet es für unser Verständnis des Menschen, der ebenfalls aus diesem Prozess einer zunehmenden Gewinnung von Autonomie hervorgegangen ist?
    • Lässt sich die aktive Beteiligung der Organismen auch in den evolutiven Großübergängen im Detail wissenschaftlich beschreiben?

    Arbeitsbereiche

    Daraus ergeben sich die zwei Arbeitsbereiche des Instituts: „Trends in der Evolution“ und „Organismische Systembiologie“.

    Im Arbeitsbereich „Trends in der Evolution“ wurde  nachgewiesen, dass die systemischen Eigenschaften von Organismen im Laufe der Erdgeschichte schrittweise immer flexibler und autonomer wurden. Projekte unseres Instituts arbeiten diese Theorie weiter aus. Dazu untersuchen wir ausgewählte zoologische und paläontologische Beispiele und studieren Trends, in denen die hierarchischen Ebenen der Systeme hervorgebracht wurden. Ein Beispiel ist etwa die Entstehung der Säugtiere, die sich anhand von Fossilien gut verfolgen lässt (Evolution der Synapsiden). Wir befassen uns mit den größeren evolutiven Übergängen, dem Ursprung der Innovationen und mit den morphologischen, physiologischen und molekularen Bedingungen ihrer Entstehung, wie beispielsweise in der Entstehung der Mehrzelligkeit im Präkambrium. In Bezug auf den Menschen interessieren uns die anthropologischen Konsequenzen, die sich aus dem Verständnis der evolutiven Veränderungen der Autonomie ergeben.

    In unserem Arbeitsbereich „Organismische Systembiologie“ entwickeln wir einen Systembegriff, der in seiner Konsequenz über den derzeit modern gewordenen hinausgeht. Die Hypothese dabei ist, dass Systeme eigenständige Eigenschaften aufweisen und in der Lage sind, ihre Teilfunktionen zu einem kohärenten Ganzen zu integrieren und nicht nur aus der Summe molekularer Teilprozesse erklärbar sind. Darin sehen wir auch Anregungen zu einem Systemverständnis des menschlichen Organismus, das Auswirkungen auf die Medizin hat. Unsere Arbeit ist damit ein Beitrag zum Forschungsschwerpunkt „Integrative und personenzentrierte Gesundheitsversorgung“ der Fakultät für Gesundheit.

    Wir bieten Lehrveranstaltungen in allgemeiner Biologie im Rahmen des Modellstudienganges Medizin an, zudem Exkursionen und Seminare im Studium fundamentale. Wir unterhalten eine biologische Sammlung, in der ein Querschnitt durch die Evolution anhand von Fossilien und Tierpräparaten ausgestellt ist.

    Organismische Systembiologie
    Muster großer Übergänge
    Studien zur Ideengeschichte der Evolutionstheorie
    Wissenschaftsmethodische Fragen
    Studien zur Evolution des Menschen

    Hier finden Sie einige ausgewählte  Publikationen.  Weitere Publikationen des Institutes finden Sie in der Publikationsdatenbank der Universität Witten/Herdecke.

    • Rosslenbroich B (2023): Properties of Life – Toward a Theory of Organismic Biology. MIT Press, Cambridge MA.  ISBN: 978-0-262-54620-1
    • Rosslenbroich B (2023): Human success as a complex of autonomy, adaptation and niche construction. In: Desmond H, Ramsey G (Eds.): Human Success: Evolutionary Origins and Ethical Implications. Oxford University Press, p. 40-65. ISBN 978– 0– 19– 009616– 8
    • Rosslenbroich B (2022): Geschichte und Gegenwart des organismischen Denkens in der Biologie. Jahrbuch für Goetheanismus 2022, S. 5-69. ISBN 978-3-949267-70-3
    • Rosslenbroich B (2022): Methodische Aspekte bei der Untersuchung der Autonomieentwicklung in der Evolution. In: Edelhäuser F, Richter R, Soldner G (Hrsg.): Goetheanismus und Medizin. Verlag am Goetheanum, Dornach. ISBN 978-3-7235-1697-3
    • Bembé B (2022): Die Bäume der Erde in ihrer Gestaltbiologie. Jahrbuch für Goetheanismus, Stuttgart, S. 93 - 147
    • Vahle HC (2022): Der Wert des typologischen Denkens in der Pflanzensoziologie – seine Bedeutung für Landschaftsentwicklung und Landwirtschaft. Jahrbuch für Goetheanismus, Stuttgart, S. 149 - 222
    • Bembé B, Rosslenbroich B (2021): Die goetheanistische Wissenschaftshaltung im Kontext von neuerer Biologie und Pädagogik. Jahrbuch für Goetheanismus, Stuttgart, S. 113-133. ISBN 978-3-949267-27-7
    • Kümmell S, Abdala F, Sassoon J, Abdala V (2020): Evolution and identity of synapsid carpal bones. Acta Palaeontologica Polonica 65 (4): 649-678 doi.org/10.4202/app.00709.2019
    • Rosslenbroich B (2020): Denkweisen in der Biologie – Gegensatz und Synthese am Beispiel von Evolutionstheorie und Organismusbegriff. Jahrbuch für Goetheanismus 2020: 81–102. Stuttgart. ISBN 978-3-944911-83-0
    • Rosslenbroich B (Hrsg.) (2020): Perspektiven einer Biologie der Freiheit. Autonomieentwicklung in Natur, Kultur und Landschaft. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart. ISBN 978-3-7725-2895-8 
    • Zimmermann Y, Wallmann R (Hrsg.) (2019): Biologie in der Waldorfschule. Ein Praxishandbuch für Oberstufenlehrer. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart
    • Rosslenbroich B, Zimmermann Y (2019): Das Verhältnis des Biologieunterrichtes in der Waldorfschule zur modernen Wissenschaft. In: Hüttig W (Hrsg.): Wissenschaften im Wandel. Zum Oberstufenunterricht in Waldorfschulen. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin. S. 53 – 90. ISBN 978-3-8305-3928-5
    • Bembé B (2019): Betrachtungen zur Gestaltbiologie der Bienen. Jahrbuch für Goetheanismus, S. 73-123
    • Rosslenbroich B (2018): Eigenschaften des Lebendigen: Schritte zu einem eigenständigen Begriff vom Organismus. In: Ebersbach R, Weinzirl J, Heusser P (Hrsg.): Was ist Leben? Aktuelles zu Wirkursache und Erkenntnis des Lebendigen. Wittener Kolloquium Humanismus, Medizin und Philosophie, Band 5, Königshausen & Neumann, Würzburg. 13 – 54
    • Rosslenbroich B (2018): Entwurf einer Biologie der Freiheit. Die Frage der Autonomie in der Evolution. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart
    • Kümmell S (2018): Aspekte der Gestaltentstehung von Tier und Pflanze und Sichtweisen Goethes. Jahrbuch für Goetheanismus. Tycho Brahe Verlag, Niefern Öschelbronn, 41- 107
    • Rosslenbroich B (2017): Gegensatz und Synthese von Denkstilen am Beispiel der Evolutionstheorie. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 19, Berlin: VWB, S. 139 – 149
    • Rosslenbroich B (2016): Properties of Life: Toward a Coherent Understanding of the Organism. Acta Biotheoretica 64, 277-307
    • Rosslenbroich B (2016): Es steckt das ganze Tier im Menschen, aber nicht der gesamte Mensch im Tier. In: Weinzirl J, Heusser P (Hrsg.): Der Mensch, ein Tier? Das Tier, ein Mensch? 4. Wittener Kolloquium Humanismus, Medizin und Philosophie, Königshausen & Neumann, Würzburg. 13 - 54
    • Rosslenbroich B (2016): The significance of an enhanced concept of the organism for medicine. Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine (Hindawi) Volume 2016, Article ID 1587652. dx.doi.org/10.1155/2016/1587652
    • Xing LD, Lockley MG, Zhang JP, Klein H, Wang T, Kümmell SB, Burns ME (2016): A theropod-sauropod track assemblage from the ?Middle–Upper Jurassic Shedian Formation at Shuangbai, Yunnan Province, China, reflecting different sizes of trackmakers: review and new observations. Palaeoworld http://dx.doi.org/10.1016/j.palwor.2015.05.003
    • Vahle HC (2016): Die Würze für Ihr Futter. – top agrar 45 (4): 100-105
    • Kümmell S (2015): Zur Evolution des menschlichen Kopfes. Der Modus der Komplexitätsverschiebung und die Rolle von Heterochronie und Plastizität. Jahrbuch für Goetheanismus. Tycho Brahe Verlag, Niefern Öschelbronn, 15- 101
    • Rosslenbroich B (2015): Zunahme der Autonomie in der Evolution bis hin zur Individualität des Menschen. In: Weinzirl J, Heusser P (Hrsg.): Die menschliche Individualität – verloren und neu gesucht. 3. Wittener Kolloquium Humanismus, Medizin und Philosophie, Königshausen & Neumann, Würzburg, 13-26
    • Kümmell SB, Frey E (2015): Evolution of Impulse Locomotion in Synapsida from Early Permian to Late Cretaceous. In: Jagt JWM et al. (eds.): European Association of Vertebrate Palaeontologists. XIII Annual Meeting Opole, Poland. p. 66
    • Vahle HC (2015): Gesundende Landschaften durch artenreiche Mähwiesen. – Broschüre im Selbstverlag. Witten, 76 S
    • Xing LD, Lockley MG, Zhang JP, Klein H, DaqingLi DQ, Miyashita T, Li ZD, Kümmell SB (2015): A new sauropodomorph ichnogenus from the Lower Jurassic of Sichuan, China fills a gap in the track record. Historical Biology. dx.doi.org/10.1080/08912963.2015.1052427
    • Rosslenbroich B (2014): Die evolutionäre Bedeutung des Spiels. Jahrbuch für Goetheanismus 31. Tycho Brahe Verlag, Niefern Öschelbronn, 3-35
    • Rosslenbroich B (2014): On the Origin of Autonomy. A New Look at the Major Transitions in Evolution. Springer Cham, Heidelberg, New York, Dordrecht, London
    • Kümmell S, Frey E (2014): Range of Movement in Ray I of Manus and Pes and the Prehensility of the Autopodia in the Early Permian to Late Cretaceous Non-Anomodont Synapsida. PLoS ONE 9(12): e113911. doi:10.1371/journal.pone.0113911
    • Kümmell SB, Frey E (2014): Autopodial rotation as a measure for stance and gait in Synapsida from Early Permian to Later Cretaceous. In: Delfino M, Carnevale G, Pavia M (eds.): Abstract Book and Field Trip Guide, EAVP XII Annual Meeting. p. 91
    • Rosslenbroich B (2013): Patterns and processes in macroevolution. In: Annals of the History and Philosophy of Biology, Volume 16 (2011). Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie. Universitätsverlag Göttingen, 171-184
    Dr. Priv.-Doz. Bernd Rosslenbroich

    Priv.-Doz. Dr. med.
    Bernd Rosslenbroich

    Fakultät für Gesundheit (Department für Humanmedizin)
    Institut für Evolutionsbiologie
    Institutsleitung

    Tel.: +49 2302 / 926-344

    E-Mail: Bernd.Rosslenbroich@uni-wh.de

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