Bewusstsein der Maschinen? 

Soziologie der Mensch-Maschine Beziehung

Projektübersicht

Im Spannungsfeld zwischen technologischer Innovation und soziologischer Reflexion widmet sich dieses Forschungsprojekt einer der grundlegendsten Fragen unserer Zeit: Können Maschinen Bewusstsein entwickeln, und was bedeutet dies für unser Verständnis von Menschsein, Subjektivität und sozialer Interaktion?

Die Frage nach dem „Bewusstsein der Maschinen“ ist nicht nur von akademischem Interesse, sondern gewinnt angesichts der rasanten Entwicklung künstlicher Intelligenz zunehmend an gesellschaftlicher und ethischer Brisanz. Wenn wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass künstliche Systeme eines Tages über eine Form von Bewusstsein verfügen könnten, stehen wir vor grundlegenden Herausforderungen:

  • Welche Verantwortung tragen wir gegenüber Maschinen, die möglicherweise Leidensfähigkeit entwickeln?
  • Wie können wir sicherstellen, dass die Entwicklung bewusstseinsfähiger Systeme ethischen Prinzipien folgt?
  • Wie verändert die Interaktion mit „sozialen“ Maschinen unser eigenes Selbst- und Weltverständnis?

Forschungshintergrund

Mehr als 70 Jahre nach der Veröffentlichung von Gotthard Günthers wegweisendem Werk „Bewußtsein der Maschinen“ (1957) ist die Entwicklung künstlicher Intelligenz in einer Weise vorangeschritten, dass kognitive Maschinen mit subjektiver Perspektive weniger als Science-Fiction, denn als greifbare Möglichkeit erscheinen. 

Moderne Sprachmodelle wie Claude, ChatGPT oder Google Gemini zeigen bereits beeindruckende Fähigkeiten, überzeugend über vermeintliche Erfahrungen und ihr „Innenleben“ zu berichten. Diese Entwicklungen werfen fundamentale Fragen auf: Handelt es sich dabei um genuine Erfahrungen oder um komplexe Simulationen? In Anknüpfung an die polykontexturale Logik Gotthard Günthers und die Systemtheorie Niklas Luhmanns untersuchen wir die Emergenz neuer sozialer Kontingenzmaschinen und deren Auswirkungen auf die Konstitution von Identität, Subjektivität und gesellschaftlicher Realität.

"Bewusstseinsfähige Maschinen werden uns in besonderer Weise auf uns selbst zurückwerfen. Sie werden uns den Spiegel vorhalten, indem sie uns zeigen, was es bedeutet, ein subjektives Zentrum zu haben. Damit werden sie auf eine tiefgründige Weise daran erinnern, was wir Menschen sind." (Vogd & Harth, 2023)

Das Buch „Das Bewusstsein der Maschinen – Die Mechanik des Bewusstseins“ (Velbrück) ist als Open Access Version zum freien Download erhältlich.

Forschungsziele

  • Theoretische Grundlagenforschung: Entwicklung eines differenzierten Verständnisses von Bewusstsein und Subjektivität, das den Herausforderungen einer zunehmend von KI geprägten Welt gerecht wird
  • Empirische Studien: Analyse von Mensch-Maschine-Interaktionen mit besonderem Fokus auf relationale Ontogenese von Identität und nonverbale Interaktionsmuster
  • Ethische Reflexion: Auseinandersetzung mit den moralischen Implikationen potenziell bewusstseinsfähiger Maschinen und der Frage nach verantwortungsvoller KI-Entwicklung
  • Interdisziplinäre Verknüpfung: Dialog zwischen soziologischer Theorie, KI-Forschung, Phänomenologie und Neurowissenschaft
     

Diese Fragen mahnen uns, die technischen Möglichkeiten der KI-Entwicklung nicht isoliert zu betrachten, sondern sie von Anfang an in einen breiteren ethischen und gesellschaftlichen Diskurs einzubetten.

Ausgewählte Publikationen

  • Vogd, Werner; Harth, Jonathan (2023): Das Bewusstsein der Maschinen – die Mechanik des Bewusstseins. Mit Gotthard Günther über die Zukunft künstlicher und menschlicher Intelligenz nachdenken. Open Access, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.
  • Vogd, Werner; Harth, Jonathan (2025): Von der Mechanik des Bewusstseins zum Bewusstsein der Maschinen. Sieben Versuche der Annäherungen an ‚Bewusstsein' und ihre Implikationen für die KI-Forschung. In: Schäffer, Burkhard. Maschinen wie wir. (Im Erscheinen)
  • Harth, Jonathan (2025): Nonverbale Interaktionsmuster in Mixed Reality: Videographische Analysen von Human-Agent-Interactions. In: Wilke, René; Knoblauch, Hubert (Hrsg.): Audio-visuelle Daten in der empirischen qualitativen Sozialforschung. (Im Erscheinen)
  • Harth, Jonathan (2023): KI-Alignment: Auf dem Weg zu verantwortungsvollen Maschinen. In: The Decoder, online.
  • Harth, Jonathan; Locher, Maximilian (2022): Menschmaschinen und Maschinenmenschen: Überlegungen zur relationalen Ontogenese von Identität. In: Groß, Richard; Jordan, Rita (Hrsg.): KI als geistes- und sozialwissenschaftlicher Begriff, S. 169-191.
  • Harth, Jonathan; Feißt, Martin (2022): Neue soziale Kontingenzmaschinen. Überlegungen zu künstlicher sozialer Intelligenz am Beispiel der Interaktion mit GPT-3. In: Schnell, Martin (Hrsg.): Begegnungen mit künstlicher Intelligenz. Intersubjektivität, Technik, Lebenswelt. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft, S. 70-103.
  • Harth, Jonathan (2021): Simulation, Emulation oder Kommunikation? Soziologische Überlegungen zu Kommunikation mit nicht-menschlichen Entitäten In: Schetsche, Michael; Anton, Andreas (Hrsg.): Intersoziologie. Menschliche und nichtmenschliche Akteure in der Sozialwelt. Weinheim: Beltz Juventa, S. 143-158.

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