Habitus im interprofessionellen Lernsetting 

Habitus sind durch Sozialisation erlernte und verinnerlichte Handlungsorientierungen. Das heißt, sie prägen unbewusst die Art und Weise, wie wir wahrnehmen, urteilen und handeln. Über die Rekonstruktion von Habitustypen kann auf unterschiedliche, sozialisierende Einflussfaktoren wie gesellschaftliche und familiäre Bedingungen (Primärsozialisation) und berufliche Bildung (Sekundärsozialisation) geschlossen werden. Beispielhaft kann hier auf sogenannte weiblich oder männlich sozialisierte Habitus hingewiesen werden. Habitus sind somit Ausdruck gesellschafts- und berufsspezifisch erworbener kultureller Fähigkeiten. 

Kulturelle Fähigkeiten auszubilden, ist Ziel einer Lehre interprofessioneller Zusammenarbeit (interprofessional education, IPE). Im Rahmen der IPE an der UW/H ist es die Aufgabe, Medizinstudierende zur Kommunikation und Interaktion auf Augenhöhe mit anderen Professionen zu befähigen. Angesichts einer alternden Gesellschaft mit einer Zunahme von chronischen Erkrankungen, Behinderungen und Multimorbidität, erweist sich ein Kulturwandel in der Medizin als immer notwendiger.

Damit steht IPE zugleich vor der Aufgabe, klassische hierarchische Selbstverständnisse zwischen den Gesundheitsprofessionen abzubauen, um synergetisches Handlungsvermögen zu fördern. Vor diesem Hintergrund nimmt das Forschungsprojekt die Habitus von Medizinstudierenden unterschiedlicher Semester in den Blick und rekonstruiert diese. Ziel ist es zum einen, unterschiedliche habituelle Voraussetzungen der Studierenden zu erkennen. Zum anderen sind die einflussnehmenden Sozialisationsbedingungen zu verstehen. Auf der Basis dieser Erkenntnisse können dann Impulse für eine habitussensible und habitusbildende IPE abgeleitet und zur Diskussion gestellt werden.