Lehrstuhl für Anästhesiologie I

Es ist uns wichtig, dass unsere Lehrinhalte effektiv und nachhaltig vermittelt werden und die Studierenden Freude am Lernen in unserem Fachgebiet haben. Deshalb soll sich die Lehre wegbewegen von der dozenten-zentrierten Wissensvermittlung hin zu einem Lernen, das sich an den Studierenden orientiert: Statt nur Stoff zu vermitteln, wollen wir Lernräume gestalten. So nähern sich die Studierenden den Lernprozessen an, die im beruflichen Alltag auf Ärztinnen und Ärzte zukommen, und wir wirken einer "Verschulung" des Studiums entgegen. Weite Teile der studentischen Lehre in der Anästhesiologie sind nach diesen Grundlagen strukturiert. Dabei verfolgen wir ein evidenzbasiertes Modell kooperativen Lernens.

Evidenzbasierte Lehre ist die bewusste, explizite und wohlbegründete Anwendung der gegenwärtig besten Evidenz für Entscheidungen darüber, welche Lernerfahrungen für die Studierenden bereitgestellt werden. „Evidence Based Teaching“ (EBT) bildet damit das Modell eines Lehr- und Lernprozesses, in dem die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die praktischen Erfahrungen und die Bedürfnisse der Lehrenden sowie Studierenden integriert werden, um bestmögliches Lehren und Lernen zu ermöglichen. Für die Lehrpraxis bedeutet EBT

• zu fragen: was spricht dafür und was dagegen, dieses Fach auf diese Weise zu lehren und zu lernen?
• nach den besten verfügbaren Quellen zu suchen, mit denen diese und andere lehr- und lernbezogene Fragen beantwortet werden können
• die Ergebnisse kritisch auf ihre Validität und Nützlichkeit zu prüfen
• das neu erworbene Wissen in die eigene Lehrpraxis zu integrieren
• die Lernergebnisse zu evaluieren und die Lehrpraxis entsprechend zu verändern.

In Übersichtsartikeln und Meta-Analysen zeigt sich, dass die kooperativen den traditionellen Lehrmethoden zumindest gleichwertig sind, wenn es darum geht, fachliche Studienziele zu erreichen. Im Hinblick auf überfachliche Studienziele sind sie jedoch signifikant überlegen. Als Lehrende sehen wir uns daher in der Position des „facilitator“, des Vermittlers auf Augenhöhe („from sage on the stage to guide on the side“). Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, unter denen Tiefenlernen und soziales Lernen möglich werden.

Unser Lehrstuhl führt in enger Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Anästhesiologie II am Campus in Köln Merheim die komplette anästhesiologische Ausbildung für die Studierenden der Humanmedizin der Universität Witten/Herdecke durch.

Unsere Lehrtätigkeit beschränkt sich nicht nur auf die Anästhesie. Auch die Vermittlung von Inhalten der Notfall- und Intensivmedizin in Theorie und Praxis gehört zu unseren Aufgaben. Ebenso ist der Lehrstuhl in die schmerz- und palliativmedizinische Lehre und deren Neustrukturierung eingebunden.

Angaben zu den Veranstaltungen des Lehrstuhls finden Sie im Vorlesungsverzeichnis des Modellstudiengangs Medizin.

Studierende im Praktischen Jahr werden in Form einer Eins-zu-eins-Betreuung an die klinischen Tätigkeiten in der Anästhesiologie herangeführt und können rasch praktische Erfahrungen sammeln. Die praktische Tätigkeit wird theoretisch durch interdisziplinäre PJ-Seminare untermauert, die das ganze Jahr über am Helios Universitätsklinikum Wuppertal stattfinden.

Ein beispielhafter Forschungsschwerpunkt ist die Untersuchung neuronaler Wirkmechanismen der Anästhesie. Die parallele Untersuchung elektrischer und funktioneller Änderungen der Hirnaktivität ermöglicht Einblicke in generelle Wirkmechanismen der Allgemeinanästhesie: in Mechanismen der Ausschaltung von „Bewusstsein“ und bewusster Wahrnehmung. Unter den neuronalen Korrelaten von Bewusstsein versteht man die Hirnanteile, die funktionell mit Bewusstsein verbunden sind.

In Untersuchungen an Probandinnen und Probanden sowie an Patientinnen und Patienten konnten wir Parameter des EEG und akustisch evozierten Potentials (AEP) identifizieren, die den klinischen Zustand (wach/bewusstlos) widerspiegeln. Eine zeitliche Auflösung ist im hirnelektrischen Signal möglich, die räumliche Auflösung, insbesondere in tiefen Regionen, ist jedoch deutlich eingeschränkt.

Zur Komplementierung der zeitlichen Information (EEG, AEP) werden im fMRI Änderungen des cerebralen Metabolismus bei Bewusstlosigkeit erfasst. Die Klärung der Kausalität ist von den bildgebenden Verfahren nicht zu erwarten, da sie nicht die nötige zeitliche Auflösung bieten. Erst in Verbindung mit hirnelektrischen Daten wird eine Aufklärung der Mechanismen möglich werden. Insbesondere parallele Messungen corticaler und subcorticaler Aktivität dürften hier helfen, eine Lösung zu finden.

Die koordinierte Untersuchung hirnelektrischer Wirkungen auf zellulärer, corticaler und subcorticaler Ebene sowie die (parallele) Erfassung von Änderungen des Metabolismus bieten einen Weg, die essentiellen Strukturen Anästhesie-induzierter Bewusstlosigkeit – und somit des Bewusstseins – zu identifizieren.

Analgesie ist als einzige der drei Hauptkomponenten der Allgemeinanästhesie noch nicht unmittelbar und objektiv messbar. Sie beeinflusst jedoch die gesamte Anästhesie. Eine direkte Quantifizierung ist somit essenziell, um schmerzbedingte intra- und postoperative Komplikationen zu verhindern und eine sichere Steuerung der Allgemeinanästhesie zu garantieren.

Die Arbeitsgruppe, die sich mit diesem Thema befasst, untersucht Möglichkeiten, die analgetische und antinozizeptive Komponente der Anästhesie spezifisch zu erfassen. Nicht zuletzt werden hier auch Zusammenspiel und Wechselwirkung mit der hypnotischen Komponente der Anästhesie erforscht.

In jüngerer Zeit werden zunehmend Geräte angeboten, die eine Messung der „Narkosetiefe“ auf Basis der Wirkung von Anästhetika am zentralen Wirkorgan der Anästhesie, dem Gehirn, ermöglichen. Hierzu wird spontane (EEG) oder reizevozierte Aktivität (akustisch evozierte Potentiale, AEP) ausgewertet. In der Regel werden hieraus Indexwerte berechnet, die die „Narkosetiefe“ oder hypnotische Komponente der Anästhesie widerspiegeln sollen. Diese Geräte untersucht die Arbeitsgruppe „Neuromonitoring“. Weiterhin werden Algorithmen entwickelt und evaluiert, die Bewusstsein und Bewusstlosigkeit erfassen. Die Forschung erfolgt in enger Kooperation mit der Klinik für Anästhesiologie der Technischen Universität München.

Im Rahmen der Versorgungsforschung werden Prädiktoren für klinisches Outcome untersucht. Weiterhin befassen wir uns mit Faktoren, die Einfluss auf Morbidität und Mortalität haben. Diese Untersuchungen erfolgen sowohl in eigenständigen Projekten als auch im Rahmen multizentrischer Studien.