Abschied eines Vordenkers: Prof. Dr. Arist von Schlippe verlässt die Universität Witten/Herdecke

Ein älterer Mann steht vor einem Rednerpult.

Als Prof. Dr. Arist von Schlippe 2005 nach Witten kam, war es ein Sprung ins Unbekannte. Vom klinischen Psychologen zum Forscher für Unternehmerfamilien – das war nicht nur ein mutiger Wechsel, es war der Beginn eines prägenden Kapitels für das Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) an der Universität Witten/Herdecke (UW/H).

„Der Wechsel war für mich gar nicht so leicht“, erinnert sich von Schlippe. Er betrat eine neue Welt – wie ein Kulturforscher, der eine fremde Gesellschaft verstehen will, ohne sie gleich zu bewerten. Zuvor hatte er mit Familien gearbeitet, in denen ein Kind schwer und chronisch krank war. Er beobachtete, wie die Krankheit das Familienleben prägte, Entscheidungen beeinflusste, Beziehungen veränderte. In Unternehmerfamilien fand er ähnliche Dynamiken – nur war es dort nicht die Krankheit, sondern das Unternehmen, das in der Familie mitlebte und ständig Thema war.

Seine Forschung und Lehre präg(t)en Generationen

Gemeinsam mit seinem Team entwickelte Arist von Schlippe zentrale Begriffe, um diese besonderen Familienkonstellationen und -herausforderungen besser zu verstehen. Ein Schlüsselkonzept ist das der „verdoppelten Familie“. Damit beschreibt er, dass diese Familien immer zugleich Unternehmerfamilien sind, die zwei völlig verschiedene Anforderungen bewältigen müssen: Auf der einen Seite steht die Bindung, die emotionale Nähe zueinander. Auf der anderen Seite steht die sachliche, manchmal harte Entscheidungslogik des Unternehmens, die unerbittlich in die Unternehmerfamilie hineinwirkt. Entscheidungen müssen rational getroffen werden, oft unter Zeitdruck und mit wirtschaftlichen Konsequenzen. Zwei Systeme, die sich eigentlich widersprechen – und die Unternehmerfamilien ständig balancieren müssen.

Dass viele Familien daran scheitern, ist bekannt: Streit unter Geschwistern, unklare Rollen, zerbrochene Nachfolgeregelungen. Dass es anderen gelingt, über Generationen hinweg stabil zu bleiben, war für von Schlippe die viel interessantere Frage. Was machen sie anders?

In Projekten wie „Familienstrategie über Generationen“ oder „Big Families“ setzte von Schlippe auf Aktionsforschung – eine Forschungsform, bei der die Wissenschaftler:innen nicht nur beobachten und „von außen“ analysieren, sondern aktiv mit den Familien zusammenarbeiten. So konnten sich die teilnehmenden Familien in den Projekten mit schwierigen Fragen auseinandersetzen: Wer gehört zur Unternehmerfamilie? Wie regeln wir Beteiligung, wenn die Familie größer wird? Wie gehen wir mit Konflikten um, bevor (und wenn) sie eskalieren? Die Ergebnisse sind nie allgemeingültigen Lösungen, sondern praxisnahe Impulse und Konzepte, die sich eng an der Realität der jeweiligen Familien orientierten.

Auch in der Lehre hinterließ Arist von Schlippe bleibende Spuren, zum Beispiel mit seinem Konfliktseminar an der UW/H: Seit 2008 setzen sich die Studierenden mit der Dynamik familiärer Konflikte auseinander – in Unternehmen, aber auch darüber hinaus. Das Besondere: Sie analysieren reale Konflikte, entwerfen Szenarien, führen Rollenspiele durch. Für von Schlippe war klar: Zahlen, Modelle, Theorien – sie sind hilfreich, aber ersetzen nicht den klaren Blick und die kluge Analyse. Oder in seinen Worten: „Wissenschaft hat mit Denken zu tun, nicht nur mit Rechnen.“

Ein Abschied – mit Dankbarkeit

Nach 20 Jahren an der UW/H verabschiedet sich Prof. Dr. Arist von Schlippe nun in den Ruhestand. Doch der Kontakt zur Universität bleibt bestehen, er wird auch weiterhin in begrenztem Rahmen Beratungen für Unternehmerfamilien anbieten.

Was ihm fehlen wird? Der Alltag an der Universität. Die Gespräche auf dem Flur. Der Blick auf Studierende, die diskutieren und Projekte entwerfen. „Hier wird Wissen geschaffen“, sagt er. 

Fotos zum Download

Ein älterer Herr in Freizeitkleidung sitzt in einem Café und lächelt in die Kamera.

Prof. Dr. Arist von Schlippe verabschiedet sich nach 20 Jahren an der Universität Witten/Herdecke in den Ruhestand. (Foto: UW/H | privat)

Ein Mann im braunen Jacket blickt freundlich in die Kamera.

Prof. Dr. Arist von Schlippe im Jahr 2005 als er beim Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) der Uni Witten/Herdecke begonnen hat (Foto: UW/H | WIFU-Stiftung)

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Svenja Malessa

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