Kurswechsel fürs Klima: Wie Finanzpolitik die grüne Transformation beschleunigen kann

Vorne sind Solapanels zu sehen, im Hintergrund drei Windräder.

Noch immer fließt ein Großteil des weltweiten Kapitals in klimaschädliche Aktivitäten – obwohl die Uhr zur Einhaltung der Klimaziele längst tickt. Wie lassen sich Investitionen künftig stärker in nachhaltige und weniger in klimaschädliche Projekte lenken? Dieser Frage ist ein Forschungsteam der Universität Witten/Herdecke (UW/H) und des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) nachgegangen und richtet drei klare Empfehlungen an die Politik:

(1) Grüne Investitionen müssen für Finanzmarktakteure attraktiver, 
(2) fossile Investitionen unattraktiv und 
(3) öffentliche Gelder gezielter eingesetzt werden. 

Global klafft eine gewaltige Finanzierungslücke bei nachhaltigen Investitionen: Weltweit fehlen laut Climate Policy Initiative jährlich etwa sieben Billionen US-Dollar, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Allein in Deutschland liegt der zusätzliche Investitionsbedarf bei 60 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr. Eine der großen Herausforderungen: Investitionen in fossile Projekte gelten nach wie vor als besonders profitabel und risikoarm – mit fatalen Folgen für Umwelt und Gesellschaft.

Bankfähigkeit als Hebel für grüne Transformation

„Grüne Investitionen scheitern oft an ihrer ‚Bankability‘ – zu Deutsch: Bankfähigkeit, die das Verhältnis von Risiko und Rendite einer Investition bezeichnet. Je geringer das Risiko und je höher die erwartete Rendite, desto größer die Bankfähigkeit“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Joscha Wullweber von der UW/H.

Bei vielen nachhaltigen Projekten ist die Bankability deutlich zu niedrig, als dass der Finanzsektor dort investieren würde, zeigt die Analyse der Forschenden. Bei zahlreichen klimaschädlichen Projekten wiederum ist die Bankfähigkeit weiterhin hoch. Und das, obwohl die europäische Sustainable-Finance-Regulierung zum Ziel hatte, ökologische Kriterien für Investitionen zu stärken. Ein ambitionierterer Politikansatz müsste beispielsweise mit Garantien, gezielten Anreizen und regulatorischen Eingriffen nachhelfen, um private Investitionen merklich umzulenken.

Klimaschädliche Investitionen unattraktiv machen

Neben der gezielten Förderung nachhaltiger Projekte sei es ebenso wichtig, klimaschädliche Investitionen zurückzudrängen. Denkbar sei etwa, fossile Vermögenswerte vom Sicherheitenrahmen der Europäischen Zentralbank auszuschließen. Dadurch würde sich ihre Liquidität und damit ihr Status als sichere Anlagen deutlich reduzieren – mit direkten Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft.

Zudem müsse die Regulierung auch sogenannte Schattenbanken einbeziehen, also nicht regulierte Finanzakteure, die bisher weitgehend außerhalb politischer Eingriffsmöglichkeiten agieren und zur Finanzierung klimaschädlicher Aktivitäten beitragen.

Nicht alle grünen Investitionen lassen sich jedoch über den Markt finanzieren – etwa Infrastruktur für Radverkehr, Renaturierung oder Hochwasserschutz. In diesen Fällen sieht das Forschungsteam den Staat in der Pflicht. Über neue Finanzierungsinstrumente wie einen EU-Klimafonds, eine „grüne goldene Regel“ zur Ausklammerung grüner Investitionen aus der Schuldenberechnung oder eine gezielte Besteuerung ließen sich dringend benötigte Mittel mobilisieren.

Finanzpolitik allein reicht nicht

Gleichzeitig mahnen die Forschenden an, die Rolle der Finanzpolitik nicht zu überschätzen. Dazu Florian Kern vom IÖW: „Finanz- und Geldpolitik allein reichen natürlich nicht aus. Sie müssen flankiert werden durch eine kohärente Innovations-, Industrie-, Fiskal- und Sektorpolitik, um die grüne Transformation sozial gerecht und ökologisch wirksam voranzubringen. Die Finanzpolitik muss andere Politiken im Bereich der Umwelt- und Wirtschaftspolitik, wie etwa Maßnahmen zur Energiewende, zum Ressourcenschutz oder zur Kreislaufwirtschaft, wirkungsvoll ergänzen.“ 

Forschung mit Wirkung

Für Silke Stremlau, Vorsitzende des Sustainable Finance Beirats der letzten Bundesregierung, liefert das Projekt wertvolle Impulse für die politische Debatte: „Den Wissenschaftler:innen des Teams ist es gelungen, durch ihre analytische Brille den Blick auf die Leerstellen des aktuellen Sustainable-Finance-Diskurses zu richten. Die Frage, ob die jetzigen Maßnahmen ausreichen, und was wir tun können, wenn dies nicht der Fall ist, ist für den Fortschritt der grünen Transformation essenziell. Mit den Politikempfehlungen liegt jetzt ein konsistentes Set von Maßnahmen auf dem Tisch.“

Die vollständigen Ergebnisse und Empfehlungen finden sich im heute veröffentlichten Policy Brief „Die grüne Transformation finanzieren“.

Fotos zum Download

Eine Grafik, die darstellt, wie die grüne Transformation finanziert werden kann.

Pressegrafik Sustainable Finance (Grafik: IÖW)

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Svenja Malessa

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