Tag der Patientensicherheit (17.09.): „Sorgfalt ist wichtiger als Unfehlbarkeit“
Prof. Dr. Klaus Weckbecker von der Universität Witten/Herdecke erklärt, wo Risiken in der Versorgungspraxis liegen und was Ärzt:innen und Patient:innen beitragen können, um diese zu mindern.

2024 hat allein die Techniker Krankenkasse bundesweit 6.431 Verdachtsfälle auf Behandlungsfehler bei ihren Versicherten registriert – so viele wie selten zuvor. Hinter solchen Zahlen stehen Konflikte, die häufig vor Gericht geklärt werden müssen. Mehr als 100 Mal wurde Prof. Dr. Klaus Weckbecker, Leiter am Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag) der Universität Witten/Herdecke (UW/H), als Gutachter zu solchen Verfahren hinzugezogen. Meist geht es um Schadensersatz wegen vermeintlicher Behandlungsfehler, seltener um staatsanwaltliche Ermittlungen. „Die Gerichte wollen von mir wissen: Hat die Ärztin, hat der Arzt korrekt gehandelt – oder eben nicht?“, sagt Prof. Weckbecker.
Die Zahl der Verfahren ist gemessen an den Millionen von medizinischen Konsultationen gering. Doch die Folgen können gravierend sein – für Patient:innen, Angehörige und Behandler:innen gleichermaßen. Oft gehe es nicht nur um Geld, sondern um Fragen wie: „War der Tod meines Angehörigen unvermeidbar oder Folge eines Fehlers?“
Wo Risiken besonders groß sind
Vor allem im ärztlichen Notdienst sieht der Allgemeinmediziner Risikofaktoren für Fehlentscheidungen. Dort treffen Ärzt:innen auf unbekannte Patient:innen, ohne Vorgeschichte, ohne Bindung. Ein Stolperstein seien etwa die voreiligen Selbstdiagnosen von Patient:innen: „Viele kommen und sagen: ‚Ich habe einen Harnwegsinfekt.‘ Aber entscheidend ist nicht die Diagnose, sondern welche Beschwerden wirklich vorliegen. Da sind eine gründliche Anamnese, eine gute Kommunikation und saubere Dokumentation sowie eine klare Systematik unverzichtbar“, betont er.
Nicht nur Ärzt:innen, auch Patient:innen können zur Sicherheit beitragen:
- Langfristige Bindung zu Ärzt:innen pflegen. Vertraute Mediziner:innen können Krankheitsverläufe besser einordnen
- Begleitperson zu wichtigen Terminen mitnehmen
- Im Zweifelsfall kostenfreie Begutachtung bei der Ärztekammer beantragen
Gerichte als Qualitätssicherung
Für Prof. Dr. Klaus Weckbecker hat seine Tätigkeit als Gutachter auch einen positiven Aspekt: „Klagen sind die extremste Form der Qualitätssicherung. Wenn Gerichte Fehler aufdecken, verbessert das langfristig die Versorgung.“
Doch nicht jede Fehldiagnose bedeutet automatisch einen Behandlungsfehler. Manche Krankheitsverläufe seien schlicht unvorhersehbar – selbst hundert Jahre nach der Erstbeschreibung sei die Diagnose einer Blinddarmentzündung noch schwierig. Gerade deshalb hält Prof. Weckbecker Verfahren auch für wichtig: Sie trennen das Unvermeidbare vom Versäumten.
Am Ende gehe es also nicht um Unfehlbarkeit. „Das Gericht erwartet von Ärztinnen und Ärzten nicht, dass sie niemals irren – sondern dass sie umsichtig und dem Standard des Faches entsprechend handeln.“
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