Anatomie aus dem 3D-Drucker: Wie die Digitalisierung Medizinstudierenden hilft, den menschlichen Körper zu verstehen

Zwei Studenten sitzen an einem Laptop.

Um die menschliche Anatomie kennenzulernen und sich bestmöglich auf den späteren Beruf als Ärzt:in vorzubereiten, arbeiten Studierende der Humanmedizin an der Universität Witten/Herdecke (UW/H) – wie in vielen medizinischen Fakultäten weltweit – an menschlichen Körperspendern. Da deren Zahl begrenzt ist, haben Dr. Mona Eulitz (Lehrstuhl und Institut für Anatomie und Klinische Morphologie) und Priv.-Doz. Dr. Christoph Stückle (Lehrstuhl für Klinische Radiologie, Prof. Dr. Patrick Haage) an der UW/H ein besonderes Projekt ins Leben gerufen: Zwei der vier Körperspender, die jedem neuen Jahrgang für die Dauer von zwei Jahren zur Verfügung stehen, werden in einer modernen Computertomographie (CT) unter Einsatz von Röntgenstrahlen dünnschichtig gescannt. Aus den gewonnenen Daten erstellen die Studierenden selbstständig hochqualitative virtuelle 3D-Modelle der Körper – sowohl das Weichteilgewebe und das Skelett als auch die Gelenke und deren sichtbare Veränderungen im Alter sind auf diese Weise abbildbar. So können beliebig viele Studierende gleichzeitig an eigenen 3D-Modellen am Bildschirm lernen und diese später im Präpariersaal mit den zugrundeliegenden Originalstrukturen abgleichen.

„Dass die Studierenden die Körperspender scannen, bietet außerdem den Vorteil, dass eine ‚Fehlpräparation‘, bei der etwa ein Muskel oder ein großer Nerv zu früh durchtrennt wurde, nicht mehr so schwer wiegt. Schließlich können wir den gesamten Körper im Originalzustand jederzeit virtuell untersuchen“, sagt Dr. Christoph Stückle.

Virtuelle Modelle werden über 3D-Drucker haptisch begreifbar

Ein Leuchtturmprojekt, das die Forscher:innen dank einer Förderung von 30.000 Euro durch das Kuratorium der UW/H in den nächsten zwei Jahren noch ausbauen. Die virtuellen 3D-Modelle der Studierenden sollen in einem modernen 3D-Drucker, der mit den Geldern angeschafft werden kann, gedruckt werden. So können die angehenden Mediziner:innen die Modelle in die Hand nehmen und unmittelbar untersuchen; die authentischen Nachbildungen von echten Körpern helfen ihnen, Anatomie viel leichter zu begreifen. „Kommerzielle Modelle idealisierter Standardkörper sind gar nicht in der Lage, diese Vielfalt wiederzugeben“, sagt Dr. Eulitz. „Damit führt das Projekt nicht nur zu einem größeren Lernerfolg, sondern im besten Falle auch zu einem gesteigerten Interesse an Anatomie, Radiologie und Pathoanatomie“, ergänzt Dr. Stückle. Zusätzlich sollen die Modelle in eine Virtual-Reality-Umgebung übertragen werden, sodass Studierende eine virtuelle Reise durch ihren Körperspender machen und so ihre räumliche Orientierung im menschlichen Körper trainieren und verbessern können.

Hervorragende Vorbereitung auf das spätere Berufsleben

Durch die kontinuierlich wachsende Menge an CT-Scans und 3D-Modellen kann außerdem eine einmalige Sammlung anatomischer Variationen und pathologischer Veränderungen aufgebaut werden. „Künftig wollen wir auch mehrere Scans pro Körperspender mit unterschiedlichen Strahlungsarten durchführen“, sagt Dr. Stückle. Dank der Fördergelder können die Forscher:innen zusätzlich einen optischen 3D-Scanner anschaffen. Dieser Scanner digitalisiert innere Organe, die in der CT zum Teil schlechter differenzierbar sind.

Nicht zuletzt werden praktische Fähigkeiten durch das Projekt geschult: Die Computertomographie gehört zu den am häufigsten eingesetzten bildgebenden Verfahren im Berufsalltag von Ärzt:innen. Durch den intensiven Einsatz des Verfahrens lernen die Studierenden der UW/H die Möglichkeiten und Limitationen von CTs kennen und können sie mit den entsprechenden anatomischen Strukturen verknüpfen. „Dadurch, dass sie aus den CT-Daten anschließend eigene virtuelle und künftig auch haptisch 3D-Modelle erstellen, gehören die Studierenden unserer Universität auf jeden Fall zu den Vorreitern in der medizinischen Ausbildung“, sagt Dr. Eulitz.
 

Weitere Informationen: Das Kuratorium der UW/H fördert noch zwei weitere Projekte mit 10.000 und 20.000 Euro: Die studentische Initiative „Medical Students for Choice Witten“ will mit dem Geld zu einer ganzheitlichen Aufklärung und Entstigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen beitragen. Dafür organisiert sie unter anderem sogenannte Papaya-Workshops. Der Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie nutzt die Förderung, um neue antibiotisch wirksame Substanzen zu erforschen. Weitere Informationen stehen auf dem Instagram- und dem LinkedIn-Kanal der UW/H zur Verfügung.

Fotos zum Download

Vier Personen lächeln in die Kamera und halten einen Spendenscheck hoch.

Für ihr Projekt erhalten Priv.-Doz. Dr. Christoph Stückle (2. v. l.) und Dr. Mona Eulitz (3. v. l.) eine Förderung durch das Kuratorium der UW/H. (Foto: UW/H)

Zwei Studentinnen sitzen an einem Laptop und schauen sich ein virtuelles 3D-Modell eines Knochens an.

Aus den im CT gewonnenen Daten erstellen die Studierenden selbstständig hochqualitative virtuelle 3D-Modelle der Körper. (Foto: UW/H)

Porträtbild von Dr. Christoph Stückle

Priv.-Doz. Dr. Christoph Stückle (Foto: privat)

Zwei Studenten sitzen an einem Laptop.

Die eigenen 3D-Modellen können die Studierenden später im Präpariersaal mit den zugrundeliegenden Originalstrukturen ihrer Körperspender abgleichen. (Foto: UW/H)

Porträtbild von Dr. Mona Eulitz

Dr. Mona Eulitz (Foto: LSVD | Stefan Wernz)

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Svenja Kloos, M. A.

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