Wie soziale Medien dazu beitragen, Medikamente besser zu machen

Auf dem Bildschirm eines Smartphones steht "Social", darunter sind Porträts von Menschen in einem Halbkreis abgebildet, ebenso wie Icons von Social-Media-Plattformen.

In sozialen Medien sind zunehmend Online-Selbsthilfegruppen aktiv, die vor allem chronisch Kranken einen einfachen und niedrigschwelligen Austausch ermöglichen. Dabei werden Erfahrungen in Bezug auf bestimmte Therapien geteilt; die Betroffenen geben einander aber häufig auch emotionale Unterstützung, da der Leidensdruck innerhalb einer Selbsthilfegruppe besonders gut verstanden wird. Darüber hinaus tauschen sich Patient:innen über Lösungen für Probleme aus, die im Kontext ihrer Erkrankung entstehen. Daher bieten diese Social-Media-Daten Einblicke in unterschiedlichste Krankheitsbilder und Bedürfnisse.

Diese Informationen haben das Potenzial, patient:innenzentrierte medizinische Innovationen zu fördern, weil sie die alltäglichen realen Bedürfnisse der Betroffenen abbilden. Hierbei gibt es jedoch ein Problem: Die manuelle Verarbeitung, Auswertung und Analyse dieser großen Datenbestände ist praktisch unmöglich. Mithilfe von Social Media Mining, einer automatisierten, oft durch künstliche Intelligenz gestützten Analyse von Social-Media-Daten, ist dies jedoch lösbar. Wissenschaftler:innen der Universität Witten/Herdecke (UW/H) und aus zwei Pharmaunternehmen zeigen in einem jetzt publizierten Aufsatz in der renommierten Zeitschrift „Drug Discovery Today“ (Impact Factor 7,85) Methoden und Anwendungsfälle von Social Media Mining für das Innovationsmanagement der Pharmaindustrie auf.

Einsatzmöglichkeiten für Social Media Mining

Social Media Mining in Online-Selbsthilfegruppen kann zunächst vor allem eingesetzt werden, um die Beschreibung der Bedürfnisse von Patient:innen in deren eigenen Worten in Datenmengen zu identifizieren und im Hinblick auf ihre Wichtigkeit zu priorisieren. Aus diesen Daten können in einem nächsten Schritt auch Patient:innengruppen mit ähnlichen Bedürfnissen gebildet und weiter untersucht werden. Die Ergebnisse dieser Analysen können bei der Forschung zu patient:innenzentrierten Arzneimittel genutzt werden. In späteren Phasen des Entwicklungsprozesses können sie die Rekrutierung über Social Media für die Teilnahme an Studien unterstützen.

Doch Social Media Mining ermöglicht noch ganz andere Einblicke: „Wir können in den Daten auch erkennen, wenn Arzneimittel außerhalb der bisherigen Zulassung von Patienten für bestimmte Erkrankungen eingenommen werden“, erklärt Jonathan Koß, Erstautor der Studie und Doktorand am Lehrstuhl für Management und Innovation im Gesundheitswesen der Universität. „Daraus können dann Hypothesen für Drug Repurposing gebildet werden, also Überlegungen für die Zulassung eines bestehenden Wirkstoffs für eine bisher nicht besetzte Indikation.“ Ein weiterer Anwendungsfall ist die Suche nach Berichten zu Ereignissen, die auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen hinweisen. „Insgesamt bietet Social Media Mining großes Potential zur Erschließung von Innovationsimpulsen. Dies kann die Entwicklung von Arzneimitteln unterstützen, die einen Wert für Patienten haben und dann auch kommerziell erfolgreich sind“, ordnet Projektleiterin Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko die Ergebnisse ein.

Weitere Anwendungsfälle und die grundlegenden Methoden werden in der Publikation (Open Access) ausführlich dargestellt:

J. Koss, A. Rheinlaender, H. Truebel, and S. Bohnet-Joschko, "Social media mining in drug development—fundamentals and use cases", Drug Discovery Today, 2021. DOI: 10.1016/j.drudis.2021.08.012

Die Publikation ist im Projekt ATLAS ITG entstanden. Das Projekt wird vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert. Es unterstützt den Theorie-Praxis-Transfer durch eine Auswertung aktueller Studien und führt Leuchtturmprojekte sowie Akteure der digitalen Gesundheitswirtschaft in NRW zusammen.

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Svenja Malessa

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