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Nachricht vom 03.01.2018
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Friedensbildung – Ein großes Projekt

Friedensbildung – Ein großes Projekt

PPÖ-Student Niklas Sax war bei der Build Peace Konferenz 2017 in Bogotá.

Um mit Umweltaktivisten, Künstlern und Technologen zu diskutieren und zu interagieren, nahm Niklas Sax, Student im Bachelorstudiengang Politik-Philosophie-Ökonomie (PPÖ), einen langen Weg auf sich. Sein Standort: Kolumbien. Das Land ist gerade dabei, sich von einem 50-jährigen Bürgerkrieg zu erholen und somit der diesjährige Austragungsort für die Build Peace Konferenz, an der Niklas Sax die Chance zur Teilnahme ergriffen hat. In seinem Bericht ist es ihm gelungen, Außenstehenden einen interessanten Einblick sowie Überblick über die derzeitige Lage des Landes, die Vorgeschichte und die dort stattfindende Build Peace Konferenz zu ermöglichen. Sax veranschaulicht mögliche Lösungsansätze, die zu einer besseren Kommunikation und Anteilnahme an der Demokratie führen sollen und berichtet, dass auch Kunst einen großen Teil zur Inklusion und Friedensbildung des Landes beitragen kann.

Ich bin zurzeit in Kolumbien, um vor Ort einen der längsten aktuellen Konflikte in der Welt zu studieren. Einen über 50 Jahre währenden Bürgerkrieg, bei dem genau vor einem Jahr mit der größten revolutionären Armee im Lande, der FARC, ein Friedensabkommen geschlossen werden konnte. Die Lage hat sich seit dem in großen Teilen des Landes weiter stabilisiert. Doch während in der Hauptstadt Bogotá und in anderen akademischen und politischen Zentren Kolumbiens neue demokratische Prozesse der Partizipation und Transparenz besprochen werden und ehemalige Guerilla Kämpfer in die Gesellschaft integriert werden sollen, entflammen in den zurückgelassenen Gebieten der FARC neue Machtkämpfe um Territorien und Ressourcen. Profiteure sind meist kriminelle Banden, die aus den, offiziell seit 2007 aufgelösten, paramilitärischen Gruppen entstanden und neue Probleme, wie das Betreiben illegaler Minen, verursachen. Auch wenn weiterhin aktuelle Probleme mit den Bandas criminales, sowie mit der kleineren Guerillagruppe ELN, mit der man noch in Friedensverhandlungen steckt, herrschen, befindet sich Kolumbien in einem gesellschaftlichen Wandel und durchläuft einen Prozess der Verarbeitung der eigenen Vergangenheit. Ich selbst werde im neuen Jahr bei einem Projekt der Organisation Redepaz zum Thema Versöhnung arbeiten. Bei meiner aktuellen Einarbeitung und Recherche zu dem hiesigen Konflikt hatte ich das Glück, über einen kolumbianischen Freund, der hier für die FAO arbeitet, von der Build Peace Konferenz zu erfahren.

Bereits zum vierten Mal fand die Build Peace Konferenz nun statt. Nach dem MIT Media Lab, Zypern und Zürich sollte sie nun in der Universidad de los Andes in Bogotá stattfinden. Build Up, die Organisation, die hinter der Konferenz steht, organisiert und finanziert Friedensaktivisten auf der ganzen Welt und fand mit Kolumbien als Austragungsort den passenden Kontext, der den akademischen Ansätzen, die im Laufe der Konferenz besprochen wurden, stets ein reales Problem gegenüberstellte. Die dreitägige Konferenz blieb durch unterschiedliche Formate, von Dialogen über Kurzpräsentation zu Workshops, stets interessant. Der thematische Fokus stand dieses Jahr auf der Implementierung von Technologie und inwiefern diese bei der Friedensbildung hilfreich sein kann.

Eine Antwort darauf war eine ganze Reihe verschiedener Anwendungen des Kartografierens. Die neutralere Sichtweise durch Technologie soll bei sensiblen und emotional aufgeladenen Konflikten um Land und Ressourcen helfen. So können Geoinformationssysteme (GIS), die auch grundlegend für z.B. Google Earth sind, nicht nur das anzeigen was ist, sondern ebenfalls errechnen, was sein wird und somit alternative zukünftige Szenarien aufstellen. Ein anderes Beispiel sind Open Street Maps, bei denen jeder Bürger Informationen (wie beispielsweise Kämpfe in der Region) eintragen und abrufen kann. Open Street Maps helfen zudem auch bei dem akuten Problem der Kommunikation. Wie anfangs bereits angedeutet herrscht in Kolumbien eine große Diskrepanz zwischen den Städten und den ländlichen Regionen. In den Städten herrscht eine eher akademische Kritik an Politik und Bildung vor, die aber in den betroffenen Regionen, wo die meisten Opfer zu beklagen sind, nicht verstanden wird sodass sich mehr als ein Bauer fragt: „Von welchem Frieden reden die da eigentlich?“ Das Problem: die Vegetation Kolumbiens. Durch die Berge und vor allem den Dschungel sind manche Regionen von jeglicher Infrastruktur abgekapselt. Dadurch werden Gemeinschaften in diesen Regionen zu Spielbällen, die weder politische Partizipation noch Stimme besitzen. Open Street Maps soll hier helfen zusammen mit der meist indigenen Bevölkerung zumindest diese Territorien weiter zu erschließen, um dem großen Konflikt zur Landverteilung mehr Daten als Grundlage zu liefern. In vielen ländlichen Regionen Kolumbiens wirken diesem Problem bereits solarbetriebene Radios und Radiostationen entgegen. Sie sollen die Menschen untereinander verknüpfen, um über ihre Rechte und politische Entwicklungen aufzuklären und ihnen eine Stimme zu geben.

Friedensbildung, das zeigt das Beispiel in Kolumbien deutlich, geht über die Politik und den Abschluss von Friedensverträgen hinaus. Der Friedensvertrag und das Recht sind fundamental in dem Prozess, jedoch müssen sie auch implementiert werden. Dazu braucht es nicht nur die Eliten, sondern die ganze Gesellschaft muss sich kollektiv darauf einigen, wie sie friedlich zusammen leben wollen. Für die kollektive Teilnahme wird allerdings Technologie benötigt. So wurde auf der Konferenz natürlich auch kontrovers über Social Media diskutiert. Auf der einen Seite wurde zum Beispiel die Idee geäußert, Friedensverhandlungen live zu streamen, um die Schwierigkeit der Kompromissfindung und die Logik der verschiedenen Seiten zu zeigen. Auf der anderen Seite hat sich jedoch auch gezeigt, dass Technologie nicht mehr immer nur Freund der Demokratie ist. Stichwort Fakenews.

So ist Technologie nicht die Antwort auf alle Fragen, sondern auch künstlerische Ansätze zu Inklusion und Friedensbildung sind eine Möglichkeit und wurden auf der Konferenz vorgestellt. In Kolumbien zeigten gerade die kreativen Auseinandersetzungen mit dem Konflikt (ob durch HipHop, Malen oder Theater) an Schulen und mit Jugendlichen große Erfolge. Viele Kinder dieser Projekte verließen bewaffnete Gruppen, da sie andere Träume fanden, an die sie glauben konnten und Identitäten als „Social Changer“ bekamen.

Zusammenfassend war es eine sehr gelungene Konferenz, die führende Wissenschaftler der Friedensforschung einlud oder teilweise per Skype zuschaltete, jedoch vor allem Aktivisten von kleinen und mittelgroßen Organisationen und Projekten aus aller Welt, von der Ukraine über Myanmar nach Uganda einen Rahmen bot ihre interessanten, sehr individuellen Einblicke in verschiedene Aspekte von Friedensbildung zu geben. Ich hätte hier noch sehr viele interessante Projekte vorstellen können, doch das würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. Auch wurde vielen kolumbianischen, zum großen Teil sehr jungen Aktivisten eine Chance gegeben ihre Projekte zu präsentieren und sich auszutauschen. Die Konferenz fand deshalb komplett bilingual statt und wurde professionell jeweils ins Englische und Spanische übersetzt.

Für alle Fragen und Anregungen rund um die Arbeit von Build up, die nächste Build Peace Konferenz und zum kolumbianischen Friedensprozess stehe ich gerne zur Verfügung.

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