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Nachricht vom 23.05.2024
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Handlungsmaßnahmen zur besseren Pflege von trans Patient:innen

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Pexels I Karolina Grabowska

Handlungsmaßnahmen zur besseren Pflege von trans Patient:innen

Masterarbeit von Annekathrin Hempel zeigt, dass Pflegefachkräfte für die Behandlung von Personen nach geschlechtsangleichenden Operationen nicht ausreichend geschult werden.

Wie steht es um die Versorgung von trans Personen in der Pflege? Welche Erfahrungen haben Pflegende im Umgang mit Patient:innen nach geschlechtsangleichenden Operationen im Krankenhaus gemacht? Diese Fragen hat Pflegewissenschaftlerin Annekathrin Hempel in ihrer Masterarbeit an der Universität Witten/Herdecke (UW/H) erforscht und daraus fünf Handlungsempfehlungen für Pflegende abgeleitet.

Die Anzahl der geschlechtsangleichenden Operationen in Deutschland ist von 883 im Jahr 2012 auf 2598 im Jahr 2021 angestiegen. Diese Entwicklung spiegelt die wachsende Sichtbarkeit und Anerkennung von trans Personen in der Gesellschaft wider. Doch die Pflege hinkt hinterher und muss beim Umgang und der Versorgung von trans Patient:innen dringend aufholen, zeigt die Masterarbeit.

Zahlreiche Wissenslücken und Unsicherheiten bei Pflegenden

Für ihre Arbeit hat Hempel fünf leitfadengestützte Interviews mit Pflegenden durchgeführt. Alle Befragten waren mindestens 2 Jahre in ihrem jeweiligen Fachbereich tätig. Die Ergebnisse zeigen, dass Pflegekräfte im Umgang mit trans Personen beispielsweise im Rahmen der Ausbildung nicht ausreichend geschult werden:

  • Die Befragten gaben an, dass sie zu Beginn der Tätigkeit in dem Fachbereich Angst hatten, sich falsch zu verhalten – etwa bei der korrekten Verwendung von Pronomen der Patient:innen. Pflegenden fehlte nach eigenen Angaben häufig Hintergrundwissen, das sie aus direkten Gesprächen mit den Patient:innen generieren mussten.
  • Ein zentraler Punkt bei der Versorgung von Patient:innen bei geschlechtsangleichenden Operationen ist die häufig verschwimmenden Grenzen von Nähe und Distanz durch beispielsweise zweistündliche Verbandswechsel im Intimbereich. Pflegende waren hier häufig gefordert, die professionelle Distanz zu wahren.
  • Die Pflegenden sagten, dass der Verbandswechsel für neu konstruierte Genitalien eine hohe fachliche Kompetenz benötigt und sehr zeitintensiv ist. Kenntnisse zu Wundversorgung, Wundbeobachtung und Wunddokumentation waren essenziell. Um eine optimale Versorgung zu gewährleisten, war ein enger fachlicher Austausch mit Ärzt:innen sehr wichtig.
  • Bedingt durch hohen Leidensdruck, Diskriminierungserfahrungen und Angst vor den Operationen kam es häufig vor, dass Pflegende die OP-Nachsorge intensiver als gewohnt erläutern müssen.

Handlungsempfehlungen für die Pflege von trans Personen

1. Ausbildung anpassen

Aktuell werden geschlechtsangleichende Operationen in der Pflegeausbildung nur oberflächlich angerissen. Um dem gerecht zu werden und zukünftige Pflegefachkräfte besser auf die spezifischen Bedürfnisse von trans Personen vorzubereiten, sollten Ausbildungsinhalte aktualisiert und erweitert werden.

2. Fort- und Weiterbildung ausbauen

Der Mangel an spezialisierten Weiterbildungen und klaren Handlungsanweisungen erschwert den Pflegealltag. Hier bedarf es gezielter Schulungen, z. B. in Gesprächsführung oder zu psychischen Belastungen, um die Kompetenz im Umgang mit trans Patient:innen zu stärken.

3. Spezialisierung fördern

Mit der Zunahme geschlechtsangleichender Operationen steigt der Bedarf an spezialisierten Pflegekräften. Annekathrin Hempel schlägt vor, spezielle Rollen wie eine „trans Nurse“ einzuführen oder „Advanced Practice Nurses“ für eine qualifizierte Versorgung auf Stationen zu integrieren.

4. Psychologische Unterstützung integrieren

Die erfolgreiche Integration von Psycholog:innen in Onkologie-Teams zeigt, wie wertvoll psychologische Betreuung ist. Eine ähnliche Integration in die Betreuung von trans Patient:innen könnte deren psychisches Wohlbefinden signifikant verbessern.

5. Pflegekonzepte aktualisieren

Pflegekonzepte, beispielsweise Krohwinkel (1993), basieren auf einer binären Geschlechtersicht und Geschlechtsidentität. Dabei wird die Geschlechtsidentität vieler Patient:innen nicht berücksichtigt. Bisherige Konzepte müssen überarbeitet werden und sich ändernden Geschlechtsidentitäten anpassen.

Fazit

Die vorgeschlagenen Maßnahmen reflektieren einen dringenden Handlungsbedarf in der Pflege von trans Personen. Es geht nicht nur darum, Wissen und Fähigkeiten zu erweitern, sondern auch darum, Strukturen und Konzepte grundlegend zu überdenken und anzupassen.

Weitere Informationen: Der Master-Studiengang Pflegewissenschaft (M. Sc.) an der Universität Witten/Herdecke qualifiziert Pflegeexpert:innen für führende Positionen in Forschung und Praxis. Die Bewerbungsfrist für das nächste Wintersemester endet am 31. Juli 2024.

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