WittenLab. Zukunftslabor Studium fundamentale

Arbeitsbereich Phänomenologie der Musik

    Der Arbeitsbereich versteht sich als ein reflexionsorientiertes Laboratorium, in dem sich künstlerische mit wissenschaftlichen Kompetenzen verschränken. Wir beschäftigen uns in Forschung und Lehre mit psychologischen sowie kulturwissenschaftlichen Fragestellungen der Komposition, Organisation, Aufführung, Wirkung und Wahrnehmung von Musik.

    Wir fragen, welchen Raum wir für die bewusste Musikwahrnehmung benötigen und wie wir einen solchen Raum bilden, wie der Klang sich dabei von seinen alltäglichen Bezügen löst und wie Musik in Zeit und Raum sich erschließt. Zudem wollen wir wissen, aus welchen Quellen und Ideen sich Musik speist und von welchen gesellschaftlichen oder religiösen Ereignissen sie sich beeinflussen lässt. Welche Rolle sie bei sozialen Veränderungsprozessen spielt und wie Musik und andere Künste sich wechselseitig anregen.

    Grundannahme

    Musik ist ein universeller Ausdruck menschlichen Bewusstseins: Es gibt keine Kultur, die ohne sie ausgekommen ist. Heute ist sie in der Welt präsent wie nie zuvor. Allerdings hat die technische und wirtschaftliche Entwicklung ihre gemeinschaftliche Praxis auf elitäre Produktion und Massenkonsum zerspaltet. Aufgrund dessen gehen wir davon aus, dass Menschen heute weniger dazu imstande sind, sich selbst mit und durch Musik auszudrücken. Daraus folgt, dass Musikalität heute eine weitgehend ungenutzte sinnlich-intellektuelle Ressource bleibt. Wir gehen davon aus, dass die Verwirklichung dieser Ressource nicht unbedingt auf eine musikalische Fachausbildung angewiesen ist. Vielmehr geht es darum, eigene Erlebnisse und Gedanken zu beobachten, Aufmerksamkeit bewusst einzusetzen und auf unterschiedliche Weise lenken zu können. Jeder Spezialist und jede Spezialistin, egal in welchem Bereich, verfügt über solche Fähigkeiten. Es kommt darauf an, das auf Musik übertragen zu können, und zu unserem Hauptanliegen gehört es, dazu zu ermutigen.

    Fragestellungen des Arbeitsbereichs
    Schwerpunkt des Arbeitsbereichs
    Ansatz

    Studierende sowie Dozentinnen und Dozenten führen meist unsere öffentlichen Veranstaltungen gemeinsam durch.

    Konzerte mit ungewöhnlichen Formaten
    Tagungen
    Vorträge und Lesungen mit Musikaufführungen
    „Beethoven quergedacht“ – Veranstaltungsreihe von Dr. Alexander Jakobidze-Gitman

    Unser Ziel ist die Entwicklung von Lehrveranstaltungen, die sowohl das Hören von Musik als auch das Denken und Sprechen über Musik ins Bewusstsein nehmen und die Grenze zwischen Kunst und Wissenschaft in unterschiedlichen Formaten und Konstellationsbewegungen überschreiten. Der Schwerpunkt liegt auf Seminaren, in denen die Studierenden sich in Form von Hörübungen, der detaillierten Auseinandersetzung mit einzelnen Musikstücken und der Einbeziehung philosophischer Texte Formen musikalischer Sinnbildung sinnlich und begrifflich erschließen.

    Wir fangen mit einem einzelnen Schall an, dem wir mit vorab geschlossenen Augen zuhören. Vom bedingten Reflex sich zu fragen, was für ein Musikstück das ist oder welchen Sänger wir gerade hören, wollen wir uns zunächst fernhalten und stattdessen untersuchen, wie der Schall vorkommt, aufkommt und verklingt. Somit versuchen wir, Hörprozesse und musikalische Verläufe bewusst zu erleben und unbefangen zu beschreiben. Erst dann wenden wir uns den Musikstücken aus verschiedenen Epochen der Musikgeschichte zu und entwickeln unsere Fragestellungen: Was ruft unser aufmerksames Zuhören auf, was überrascht uns darin, worauf werden wir aufmerksam, was baut die Spannung auf und lässt sie wieder los, wozu wird unser Körper beim Zuhören aufgefordert?

    Ferner ziehen wir Theorien heran, weil wir davon ausgehen, dass Musik eine besondere Prägnanz im Nachklang der Theorie bekommt. Theorie und intuitives Musikschaffen und –erleben sind keine sich ausschließenden Gegensätze, sondern Gegenpole, die sich wechselseitig herausfordern, anregen und bedingen. Wir zielen darauf, theoretische Reflexionen als Anleitung zur Intensivierung und bewussten Vertiefung von Hörerlebnissen zu nehmen, Denken und musikalisches Erleben voneinander abzugrenzen und doch wieder aufeinander zu beziehen, vom Denken und Sprechen ins Schweigen und Hören überzugehen sowie umgekehrt von Musik inspirierte Denk- und Sprechweisen zu entwickeln und sie wieder loszulassen, um im Nachklang zur Theorie immer bewusster zu hören und tiefer musikalisch zu erleben.

    Ursprünglich wurde die Idee unseres Arbeitsbereichs durch die Zusammenarbeit Elmar Lampsons mit dem früheren Leiter des Studium fundamentale, Prof. Dr. Michael Bockemühl, konzipiert. Sein Anliegen war es, Elmar Lampsons Tätigkeit als Künstler, Musikveranstalter und -vermittler einen akademischen Rahmen an der Universität Witten/Herdecke zu geben.

    Die „Phänomenologie der Musik“ wurde 1998 als Stiftungsprofessur und 2003 als Lehrstuhl verankert. Im Laufe ihrer Geschichte unterstützten sie Iona Stichting aus den Niederlanden, die GLS Bank Treuhand aus Bochum, die Werner Richard – Dr. Carl Dörken Stiftung und der Stifterverband der deutschen Wissenschaft.

    Von 1998 bis 2006 war “Phänomenologie der Musik“ für das Programm „composer in residence“ an der Universität Witten/Herdecke zuständig. Seine Mitarbeiter betreuten Konzerte, Workshops und Seminare internationaler Tonkünstler wie Reinhard David Flender, Stefan Heucke, Oleg Jantschenko, Gideon Lewensohn, Eli Marshall, Krzystof Meyer, Rebecca Saunders, Andrea Lorenzo Scartazzini oder Qu Xiao-zong.

    Zu folgenden Themen wurde am Lehrstuhl promoviert und habilitiert:

    • 2003: Ingrid Allwart. Die Stimme der Diotima : Friedrich Hölderlin und Luigi Nono (Promotion)
    • 2006: Arne Blum. Phänomenologie der Musik. Die Anfänge der musikalischen Phänomenologie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts (Promotion)
    • 2010: Steffen Schmidt. Musik der Schwerkraft: die Beziehung von Musik und Ballett in Deutschland nach 1945, dargestellt am Werk Bernd Alois Zimmermanns (Habilitation)
    • 2011: Christian Grüny. Kunst des Übergangs Philosophische Konstellationen zur Musik (Habilitation)

    Unser Team besteht aus Forschenden und Lehrenden, die ausübende Künstler und erfahrene Organisatoren sind. Die Vielfalt der Interessen und die individuellen Karrieren – überwiegend über Quereinstiege – gehören zu dem, was den Lehrstuhl besonders macht.

    Wissenschaftlicher Mitarbeiter
    Dr. Alexander Jakobidze-Gitman
    Wissenschaftlicher Mitarbeiter

    Dr.
    Alexander Jakobidze-Gitman

    WittenLab. Zukunftslabor Studium fundamentale
    Wissenschaftlicher Mitarbeiter

    Mitwirkende vom Arbeitsbereich „Künstlerische Praxis“

    Gastdozent und ehemaliges Mitglied

    Dr. Alexander Gurdon

    Die Universität Witten/Herdecke ist durch das NRW-Wissenschaftsministerium staatlich anerkannt und wird – sowohl als Institution wie auch für ihre einzelnen Studiengänge – regelmäßig akkreditiert durch: